Den "Herzschlag unsrer Kirche" erleben lassen

Rechtsupweg, 16. Juli 2021

Kirchenkreissynode stellt Weichen für den Aufbruch: "Mitglieder binden und neu gewinnen"

Inspirierender Vortrag: Rainer Koch von den "Missionarischen Diensten" (li.). KKS-Präsident Theo Weber (Mitte re., im Hintergrund) und die Synodalen hören aufmerksam zu.

Angesichts wachsenden finanziellen Drucks setzt der Kirchenkreis Norden auf die Verstärkung inhaltlicher Arbeit und eine verbesserte Einladungs-Kultur. Rainer Koch, Referent der „Missionarischen Dienste“, präsentierte dazu zwei aktuelle Initiativen der Hannoverschen Landeskirche. Und das ganz real-präsent: Nach anderthalb Jahren Corona-bedingter Pause freute sich der Vorsitzende Theo Weber, die Kirchenkreissynode ganz analog im Dorfgemeinschaftshaus Rechtsupweg begrüßen zu können.

Furios startete Ortspastor Norbert Masslich mit einer humorvollen Andacht zu einem Text aus dem apokryphen Buch Baruch, dem er die Inspiration zum Sternen-gleichen Leuchten der Christen entnahm. Sein Gitarren-Vortrag „Hier bin ich“, ein Song der christlichen Band „Allee der Kosmonauten“, leitete gekonnt zum ersten Hauptteil der Synode über.

Angestoßen durch eine Klausurtagung des Kirchenkreisvorstands (KKV), entwickelte Rainer Koch („ich bin ein Ostfriesenjung´ aus Leer“) zunächst eine Idee aus der Anglikanischen Kirche: Seit 2003 laden Kirchengemeinden dort flächendeckend zu einem „Back-to-Church-Sunday“ ein. Für die Hannoversche Landeskirche wurde das Projekt erstmals 2019 im Kirchenkreis Rhauderfehn exemplarisch realisiert – mit Erfolg. Nach dem Motto „Lade jemanden ein, den du kennst, zu etwas, das du liebst“, kümmern sich Kirchenvorstände und spezielle Teams darum, den Sonntags-Gottesdienst neu als Ort einer gastfreundlichen Gemeinde entdecken zu lassen. Zielgruppe sind vor allem Menschen, die schon lange keinen Gottesdienst mehr besucht haben. Entscheidender „Schlüssel“ ist die persönliche Einladung. Allerdings sei auch die „Innenwirkung“ nicht zu vernachlässigen: Die verantwortlichen Geistlichen wie die Gemeindeleitungen reflektierten ihre Gottesdienstkultur noch einmal völlig neu, und die Bedeutung einer einladenden Grundhaltung werde allen bewusst. Die „Kommunikation des Evangeliums“ gehe Hand in Hand mit einem neuen Blick auf die Mitgliederorientierung und die Kirchenentwicklung.

Vorgesehen für den ersten „Back-to-Church“-Sonntag im Kirchenkreis Norden ist der 1. Advent 2021. Möglichst viele, wenn nicht alle Kirchengemeinden sollten sich beteiligen – wenn nicht als Veranstaltungsort, dann doch im Sinne einer gemeinsamen Einladung und Unterstützung: „Keiner muss, aber alle sind dabei.“

Das gilt auch für das zweite angestoßene Projekt. Bezogen auf die unterschiedlichsten „Lebenswelten“ und Milieus, präsentierte Rainer Koch aktuelle „Glaubenskurse“, die auf eine verbreitete religiöse Sehnsucht vieler Menschen antworten. Mehr als ein Dutzend solcher Angebote stellte er in kurzen Skizzen vor – von der „Expedition zum Ich“ über einen Bonhoeffer-Kurs und die „Perlen des Glaubens“ bis zu „LUV“ als Workshop für spirituelle Suche und „Just People“ für ein „sozial-ökologisches“ Milieu.  Der Referent betonte, dass die entscheidende Linie nicht etwa zwischen Glaubenden und Nicht-Glaubenden verlaufe, sondern zwischen Suchenden und Nicht-Suchenden. So komme das ganze Projekt weg von einer falschen Hierarchie zur gemeinsamen Augenhöhe – denn „auf dem Weg ins Land des Glaubens“ sollten sich auch aktive Kirchenmitglieder stets als „Suchende“ verstehen. Tatsächlich gehe es beim vertieften Kennenlernen christlicher Glaubensinhalte  um den „Herzschlag unsrer Kirche“. Rainer Koch: „Wir möchten, dass Menschen die Schönheit des Evangeliums erleben. Und teilen das, was wir als wertvoll und gut erfahren haben.“

Erstaunlich: Globale Firmen wie Microsoft suchten per  Annonce „Evangelisten“ – Menschen, die begeistert sind von der eigenen Produkt-Palette. Warum also sollte ausgerechnet die Kirche auf eine entsprechende „Evangelisation“ ihrer Inhalte verzichten?

In dieser Perspektive brachte Superintendent Dr. Helmut Kirschstein den Vorschlag zur Gründung eines neuen Ausschusses ein: Er könnte als Ausschuss für Gemeindemission (Arbeitstitel) beide Projekte Kirchenkreis-weit begleiten und weitere Initiativen zur „Mitgliederbindung und Mitgliedergewinnung“ vorantreiben – kreativ und vielfältig im Sinne einer überraschend neuen Einladung zum christlichen Glauben. Überraschend war denn auch die erfreulich positive Aufnahme dieses Vorschlags: 12 Männer und Frauen verschiedenster geistlicher Prägung, darunter PastorInnen und DiakonInnen, LektorInnen und PrädikantInnen, weitere Ehrenamtliche und auch eine Vertreterin des Kirchenkreisjugendkonvents werden im neuen Ausschuss mitarbeiten.

Vergleichsweise nüchtern ging es dann in den zweiten Teil der Kirchenkreissynode: Zunächst wurde Pastorin Cordula Trauner (Dornum/Resterhafe) mit großer Mehrheit als Nachfolgerin der in den Ruhestand verabschiedeten Pastorin Hilke Osterwald in den Kirchenkreisvorstand gewählt. Der von ihr für den Kinder-, Jugend- und Schulausschuss wie für den Kirchenkreisjugendkonvent eingebrachte Antrag zur Erstellung eines Schutzkonzepts für den Kirchenkreis Norden wurde einstimmig angenommen. Einstimmig bestätigt wurde auch der bereits vom KKV angenommene Haushaltsplan 2019/20, ebenfalls einstimmig befürwortet wurde der Haushaltsplan 2021/22. Dass mehrere Änderungen der Finanzsatzung ebenfalls auf einstimmigen Zuspruch stießen, überraschte nicht, bedeuteten diverse neue Möglichkeiten zur Bezuschussung  (zum Beispiel für Maßnahmen an Läute- und Turmuhranlagen) doch finanziell spürbare Verbesserungen für die Kirchengemeinden.

Letzter Punkt auf der Tagesordnung: die Darstellung der aktuellen Faktenlage zum Planungszeitraum 2023 bis 2028. Hier wurden mehrere „Fachgruppen“ eingerichtet (z.B. für Kirchenmusik, Bildung, „Kirche im Dialog“, Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, Klimaschutz, Leitung und Verwaltung). Sie sollen spezielle Konzepte erarbeiten, um die finanzielle Entwicklung inhaltlich zu steuern. Erste Entwürfe liegen nach Mitteilung des Superintendenten bereits vor (Diakonie, Verkündigung/Gottesdienst/Seelsorge). Entscheidungen über den zukünftigen Stellenrahmenplan, die allgemeine Finanzpolitik und den Bauhaushalt werden ausführlich diskutiert und in den Ausschüssen, in der Fachgruppen-übergreifenden Lenkungsgruppe und im Kirchenkreisvorstand vorbereitet.

Heike Warfsmann vom Kirchenamt Aurich stellte die finanziellen Eckdaten vor: Die Einsparvorgaben belaufen sich auf 2 % pro Jahr, zusätzlich wird die landeskirchliche Sonderzuweisung für die drei Nordseeinseln (Betrag von je einer Pfarrstelle zusätzlich zum regulären Haushalt) jährlich um je 15.000 € gekürzt. Ausschüttungen zusätzlicher Gelder an die Kirchengemeinden, wie sie in den Jahren 2018 bis 2021 möglich waren (insgesamt 335.000 €), sind für den kommenden Planungszeitraum kaum zu erwarten. Die hohen Sparvorgaben könnten aber nicht nur durch Stellenkürzungen, sondern auch durch den kreativen Einsatz vorhandener Rücklagen bewältigt werden. Der Planungsprozess erfordert das Zusammenwirken zahlreicher Arbeitsbereiche, Ausschüsse und Leitungsgremien. Spätestens Ende Juni 2022 muss die Kirchenkreissynode definitive Beschlüsse gefasst haben.