Sperriges Thema, einschneidende Konsequenzen

Norden, 23. September 2020

Erweiterte Kirchenkreiskonferenz informiert sich über Neuregelung der Umsatzbesteuerung

So sperrig das Thema, so weitreichend die Konsequenzen: Die "Neuregelung der Umsatzbesteuerung von kirchlichen Körperschaften des öffentlichen Rechts" wirft ihre Schatten voraus. Um Licht in das Dickicht zu bringen, hatte die Kirchenkreiskonferenz jetzt die junge Rechtsanwältig Annika Engel (Hannover) zu Gast. Sie erwies sich als höchst kompetente Vertreterin der Fa. KSB Intax.

Der Platz im Ludgeri-Gemeindehaus reichte unter Einhaltung des Hygiene-Konzepts gerade aus: Gekommen waren nicht nur Pastorinnen und Pastoren, Diakoninnen und Diakone, sondern auch zahlreiche Mitglieder verschiedenster Kirchenvorstände. Insbesondere die "Finanzminister" der Gemeinden wollten sich frühzeitig informieren, obwohl die weitreichenden Neuregelungen Corona-bedingt mit einem Jahr Verspätung erst zum 1.1.2023 greifen sollen.

Wurden bisher nur Betriebe gewerblicher Art mit einem Umsatz > 35.000 € besteuert und konnten mehrere tätige Einheiten getrennt beurteilt werden, verlangt das EU-Recht jetzt eine umfassende Angleichung: Die öffentliche Hand soll keinerlei Vorteile mehr gegenüber kommerziellen Unternehmen haben, sofern sich beide in einer Konkurrenz-Situation befinden.

Prinzipiell geht es um die Umsätze, nicht um den eventuellen Gewinn. Alles muss dem Finanzamt gegenüber transparent offengelegt werden: Der jeweilige Kirchenvorstand ist verantwortlich "für jeden Cent, der bei der Kirche hereinkommt". Die damit verbundenen Konsequenzen wirken durchaus bedrohlich.

Voraussetzung bleibt allerdings die "Unternehmereigenschaft", will sagen: Die Einnahmen müssen "auf Wiederholung angelegt", die Verkäufe selbständig "auf eigene Rechnung und Verantwortlichkeit" getätigt werden. Sofern für eine kirchliche Leistung Geld gezahlt wird, darf eine solche Gegenleistung nicht als Spende verbucht werden. Durch eine Fülle von Beispielen ließ die Referentin die Bedeutung dieser Regelungen lebendig werden - vom typischen Kirchenbasar mit Kuchenverkauf über den Bibelverkauf an Konfirmanden bis zu regelmäßg gezahlten Chorbeiträgen.

Erfreulich sind hingegen Steuerbefreiungen bei Vermietung von Wohnungen und Gemeindesälen (allerdings ohne Catering!), bei Vorträgen und Kursen der Erwachsenenbildung, Theatervorführungen und Konzerten (hier ist eine Bescheinigung der Landesbehörde nötig). Ganz wichtig: Konfirmanden- und Jugendfahrten sind grundsätzlich steuerbefreit.

Wie immer, steckt der Teufel im Detail: Ein kirchlicher Welt-Laden, der Bücher (7 % Umsatzsteuer) und Kleidungsstücke (19 %) verkauft, muss beides differenziert auflisten, sonst fällt für alle Verkäufe der höhere Steuersatz an. Selbst wenn eine Kirchengemeinde unter die "Kleinunternehmer" fällt (< 22.000 € Umsatz im Vorjahr, im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich < 50.000 €), müssen sämtliche Umsätze beim Finanzamt ausgwiesen werden. Selbst Posten, die nicht umsatzsteuerpflichtig sind, müssen erfasst werden (bspw. Jugendfahrten) - ein immenser zusätzlicher Arbeitsaufwand, der alle Kirchenvorstände schwer belasten wird.

Hinzu kommt die Unterscheidung zwischen privatrechtlichen, der normalen Umsatzsteuer unterliegenden Umsätzen, und Umsätzen, die im öffentlich-rechtlichen Berich - bei der Kirche: aufgrund ihres Verkündigungsauftrags - erzielt werden. Letztere müssen also aufgelistet, aber nicht versteuert werden. Kerzen am Gebetsleuchter sind also von der Umsatzsteuer befreit, der Kerzenverkauf im kirchlichen Laden hingegen nicht.

Wer soll sich da denn auskennen? Immerhin wurde bei allen Teilnehmenden das Problembewusstsein geweckt, und die gewonnenen Einsichten geben schon einmal eine gewisse Orientierung. Immerhin signalisierten die anwesenden VertreterInnen des Auricher Kirchenamts, dass sie sich verstärkt der Amtshilfe widmen werden. Ob man in Aurich ohne Aufstockung des Personals auskommt? Eigentlich sollte die kirchliche Verwaltung doch "verschlankt" werden...