"Heimat braucht Integration und Weltoffenheit"

Norden, 26. Mai 2018

Ministerpräsident Weil beim Festakt zum 99. Niedersachsentag in Ludgeri

"In dieser Kirche schlägt das Herz Nordens", sagte Superintendent Dr. Helmut Kirschstein zur Begrüßung der Gäste. Und weil der Herzschlag für das große Ganze dasei, habe man die größte mittelalterliche Kirche Ostfrieslands auch gerne für den 99. Niedersachsentag geöffnet. Dass sich in  Ludgeri Gottesdienst und Kultur verbinden, hatte schon zuvor ein Plattdeutscher Gottesdienst unterstrichen, mit dem Pastorin Traute Meyer den Festakt im Hochchor eröffnet hatte.

Die berühmte „Rote Mappe“, in der der Niedersächsische Heimatbund (NHB) in diesem Jahr zum 59. Mal der Landesregierung mitteilt, was seinen Mitgliedsverbänden im Verlauf eines Kalenderjahres aufgefallen ist, was verbessert, verändert, verboten, neu geregelt werden soll – sie spielte am Sonnabend eigentlich nur eine Nebenrolle in der Ludgerikirche. Im Zentrum der Festveranstaltung beim diesjährigen Niedersachsentag standen vielmehr Beiträge zum Thema „Heimat“. NHB-Präsident Prof. Dr. Hansjörg Küster hatte schon bei der Eröffnung des Niedersachsentages am Freitag erklärt, wie er den Begriff sieht. Dass Heimat keine Grenzen habe, man an einem neuen Ort Wurzeln schlagen und ihn als Heimat empfinden könne. Es sei enorm wichtig, dass man zu dem Ort, an dem man lebe, auch eine Verbindung knüpfe, sagte er am Sonnabend. Dafür brauche es Informationen, sei es über die Schule, durch Gespräche, in Kursen. „Heimat schließt nicht aus, sondern sie ist zuerst mit einem Prozess der Bewusstseinsbildung verbunden und dann ein Angebot an alle, die eine Bindung an den Ort gewinnen wollen, an dem sie leben.“ Und so könne natürlich jeder Mensch mehrere Heimaten haben.

Das hätte Stephan Weil sicher sofort unterschrieben. Der Ministerpräsident ging vor allem der Frage nach, warum gerade dieses Thema derzeit so aktuell ist und sprach von einer großen Verunsicherung in der Welt. Globalisierung und Digitalisierung gleichzeitig, beides in einem rasenden Tempo – das habe den Alltag verändert. „Noch keine Generation hat so starken Wandel erlebt wie diese“, sagte Weil mit Verweis auf Yuval Noah Hararis Buch „Eine kurze Geschichte der Menschheit“. „Heimat“, sagte Weil, „ist ein tiefes menschliches Grundbedürfnis in allen Teilen der Welt.“ Sie dürfe nicht den Rändern überlassen werden.

Eben das hatte zuvor schon der Präsident der Ostfriesischen Landschaft, Rico Mecklenburg, mit Nachdruck gefordert: „Der Begriff Heimat ist zu wichtig, um ihn dem Missbrauch zu überlassen. Heimat gehört in die Mitte der Gesellschaft!“ Weil mahnte, zu bedenken, „wie gut es uns geht“. Seit mehr als 70 Jahren kein Krieg, stattdessen Freiheit und wachsender Wohlstand – dank vereinbarter Grundregeln wie Grundgesetz und Grundrechte. „Diese Grundregeln müssen wir festhalten“, forderte er.

Vorab schon hatten neben Mecklenburg und NHB-Geschäftsführer Thomas Krueger Landrat Harm-Uwe Weber, Nordens Bürgermeister Heiko Schmelzle und Superintendent Dr. Helmut Kirschstein die Gelegenheit gehabt, sich in einem Frage-Antwort-Dialog mit Prof. Dr. Uwe Meiners, Präsidiumsmitglied des NHB, zum Heimatgedanken zu äußern. Besonders Weber bekannte sich dabei zu Ostfrieslands Küste und fragte den Hannoveraner Weil direkt: „Wie kann man so weit weg vom Wasser überhaupt überleben?“ Süden ist für den Landrat, so bekannte er, schon das Zwischenahner Meer. Weber gab sich auch sonst locker und sehr aufrichtig. Der Landkreis Aurich als Heimat? Nein – Norder seien Norder und Ostfriesen, erklärte er den Gästen in der Ludgerikirche.

Bürgermeister Schmelzle hatte in Zusammenhang mit Heimatgefühlen unter anderem auf die ostfriesische Teetrinker-Tradition verwiesen. Thomas Krueger und Dr. Kirschstein hatten betont, wie wichtig es sei, für Neues offen zu sein. „Wir müssen Empathie wecken für alle, die später gekommen sind“, sagte Kirschstein mit Blick auf die Verbindung zwischen Heimat und Integration. Integration, merkte er an, müsse „ganz neu buchstabiert“ werden. Dabei erinnerte der Superintendent auch daran, dass Ministerpräsident Weil gesellschaftspolitischer Schirmherr der Dokumentationsstätte Gnadenkirche Tidofeld sei. „Wir sind Ihnen dankbar für Ihre Unterstützung und werden sie auch in Zukunft dringend brauchen.“ Um für eine Verbindung einzustehen, die der Ministerpräsident auch selber hervorhob: „Heimat und Weltoffenheit gehören zusammen.“

Unter dankbarer Rezeption eines Artikels aus dem OSTFRIESISCHEN KURIER (inkl. Foto)