Tidofelder Kinderbuch erzählt deutsche Geschichte

Norden-Tidofeld, 09. April 2022

Gnadenkirche und Lions Club ehren Johann Haddinga - und den Künstler Werner Klemke

Freuen sich über die gelungene Reproduktion des Märchenbuches: Vorsitzender Superintendent Dr. Helmut Kirschstein, Dokumentationsstätten-Leiter Lennart Bohne, Tielko de Groot mit Tochter, Club-Präsident Walter de Groot (beide Lions Club) sowie Anna Jakobs, Geschäftsführerin des Vereins Gnadenkirche Tidofeld.

Zum Weihnachtsfest 1945, wenige Monate nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, schenkten die Eltern von Johann Haddinga dem damals Elfjährigen ein schmales Buch. Auf zwölf Seiten erzählte dort ein Künstler namens Werner Klemke das Grimm’sche Märchen von den Bremer Stadtmusikanten. Illustriert hatte es der Autor mit lustigen Szenen. Erst mehr als sechs Jahrzehnte später sollte der frühere Chefredakteur des Ostfriesischen Kuriers erfahren, welch besonderes Büchlein ihm seine Eltern unter den Weihnachtsbaum gelegt hatten und welche spannende Geschichte sich mit dem Namen Werner Klemke verband.

„Und hier schließt sich der Kreis“, sagt Lennart Bohne, Leiter der Dokumentationsstätte Gnadenkirche Tidofeld. Denn in Tidofeld als Kriegsgefangener der britischen Besatzungsmacht produzierte Klemke gemeinsam mit dem ebenfalls in Tidofeld inhaftierten Steindrucker Martin Kirchner das erste deutsche Kinderbuch nach Kriegsende.

Auch Johann Haddinga verband viel mit der Gnadenkirche Tidofeld. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern und war lange Jahre zweiter Vorsitzender des Trägervereins der Dokumentationsstätte zur Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen in Niedersachsen und Nordwestdeutschland.

Mit Unterstützung des Lions Club Norden-Nordsee hat die Dokumentationsstätte das Kinderbuch von 1945 neu aufgelegt. Dabei wird die originalgetreue Reproduktion des Büchleins ergänzt durch ein Vorwort vom Leiter der Gnadenkirche und einer Einleitung von Johann Haddinga, in der dieser, so Bohne, „an ein einzigartiges Dokument deutscher Nachkriegsgeschichte erinnert“.

„Es ist quasi ein Buch im Buch“, ergänzt Tielko de Groot, der dem Lions Club angehört und an der Produktion und der Herstellung der Neuauflage maßgeblichen Anteil hatte. Das Faksimile der Originalausgabe befindet sich in der Heftmitte. Bei der Reproduktion blieben alle Farben, Altersspuren und Unregelmäßigkeiten erhalten – so auch das Wolkengesicht, das der junge Haddinga dem Titelbild hinzufügte.

Viel erfährt der Leser über Werner Klemke, den aus Berlin stammenden gelernten Trickfilmzeichner, der sich in Norden in die Kunst des Steindrucks einführen ließ, und später zu einem der berühmtesten Illustratoren und Buchgestalter der DDR aufsteigen sollte. In seiner Einführung geht Haddinga auch darauf ein, wie Klemke als deutscher Besatzungssoldat in Holland sein Zeichentalent dafür einsetzte, Papiere für Verfolgte zu fälschen.

Recherchen einer niederländischen Filmemacherin, die in alten Dokumenten aus einer Synagoge auf den Namen Klemkes gestoßen war und für eine Dokumentation über den Künstler auch nach Norden kam, waren der Anstoß für Johann Haddinga, eigene Nachforschungen anzustellen. Sie mündeten schließlich in einer Klemke gewidmeten Themenstation in der Gnadenkirche. In dieser wiederum befindet sich seit Dezember 2020 auch das Kinderbuch von Johann Haddinga.

„Der Kreis schließt sich“, sagt auch Superintendent Dr. Helmut Kirschstein. Mit der Neuauflage der „Bremer Stadtmusikanten“ wolle man Johann Haddinga posthum „ein kleines Denkmal setzen“, der sich auf so vielfältige Weise um die Dokumentationsstätte verdient gemacht habe. „Er war ein Mann der ersten Stunde.“ Und als solcher habe er sie mit aufgebaut. Haddingas Tod am 26. Dezember vergangenen Jahres habe ihn schwer getroffen, so Kirschstein. Die Reproduktion des Kinderbuches bezeichnete der Superintendent auch im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte als Gesamtkunstwerk. „Ich glaube, wir sind damit Johann Haddingas Anspruch gerecht geworden, und das freut mich sehr.“

Bohne und Kirschstein dankten dem Lions Club, der die Veröffentlichung möglich gemacht hatte. Der Erlös aus dem Verkauf kommt der Dokumentationsstätte zugute. Die Büchlein sind in verschiedenen Geschäften in Norden gegen eine Spende erhältlich unter anderem bei den Lesezeichen-Buchhandlungen im Neuen Weg und in der Osterstraße, in der SKN-Geschäftsstelle im Neuen Weg, in der Ludgeri-Bücherei oder im Teemuseum.

 

                                                     Veröffentlicht mit herzlichem Dank an den Ostfriesischen Kurier (Text und Foto)!