Reformationsfest ökumenisch: Mehr Christus wagen

Norden, 31. Oktober 2019

Erstmals 7 Konfessionen - "Reformations-Signal" an Kirchen, Stadt, Gesellschaft

Es ist manches anders bei diesem Gottesdienst. Fängt man mit dem Ende an, dann das, dass es Bier und Schmalzbrote für die Besucher des Gottesdienstes im Chorumgang gibt. "Lutherbier", um genau zu sein. Und auch während des Gottesdienstes ist einiges ungewöhnlich. Statt eines Pastors steht vorne am Altar die stattliche Anzahl von sieben Geistlichen und Vertretern christlicher Gemeinden in Norden. Der Festgottesdienst in der Ludgerikirche aus Anlass des Reformationstages ist ein ökumenischer. „Endlich, endlich wollen wir miteinander mehr Christus wagen: Das ist die Botschaft, die von diesem Reformationsfest ausgeht“, sagt der evangelisch-lutherische Superintendent des Kirchenkreises Norden, Dr. Helmut Kirschstein, der die Predigt hielt. Mehr Christus zu wagen sei ein „Reformations-Signal auch an unsere Stadt und an die Gesellschaft“. Es sei sensationell, dass sieben Konfessionen gemeinsam den Reformationstag feierten.

An die 500 Menschen waren in die Ludgerikirche gekommen. Das Wort „gemeinsam“ traf dabei auf den gesamten Gottesdienst zu. So waren die vier evangelisch-lutherischen Gemeinden Ludgeri, Andreas, Süderneuland und Norddeich beteiligt, dazu die evangelisch-reformierte Gemeinde, die Freie evangelische Gemeinde, die pfingstkirchliche Friedensgemeinde, die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde (Baptisten), die evangelische Mennonitengemeinde und die katholische Ludgerusgemeinde.

Zur freudigen und entspannten Stimmung trug nicht allein dieses Miteinander der verschiedenen Konfessionen bei. Auch die Musik tat ihr Übriges. So erklangen bekannte Lieder auf der Arp-Schnitger-Orgel und es gab zu Recht viel Applaus für jeden Auftritt der Ludgeri Gospel Singers.

Superintendent Dr. Kirschstein machte in der Predigt deutlich, dass es darum gehe, Gott ernst zu nehmen, „womöglich ernster als alles andere“. Der vorgegebene Predigttext bezog sich auf das Grund-Bekenntnis des Judentums: „Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein. Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.“ Fromme jüdische Menschen sprechen diese Worte jeden Tag. Kirschstein sprach von einem liebevollen Bekenntnis: „als wäre es das Grundgesetz der Freiheit.“ Fromme Juden würden es buchstäblich nehmen. Die Worte werden mit Gebetsriemen auf die Hand gebunden und in einem kleinen Kasten auf die Stirn geschnallt. „Wer sind wir, dass wir die Nase darüber rümpfen?“, fragte Kirschstein, „Ist es nicht viel merkwürdiger, dass ungezählte Christen sich die Worte der Bibel eben nicht zu Herzen nehmen, sie ihren Kindern nicht einschärfen?“ Kirschstein betonte das Gebot zur Nächstenliebe: „Wir können die Wahrheit über unseren Gott nur bekennen, wenn wir im selben Atemzug über die Liebe zum Mitmenschen sprechen.“ Man habe Gott treu sein wollen – „und wir haben ihn in unserer Lieblosigkeit manches Mal verraten“.

Das Signal des Reformationstages müsse sein, mehr Christus zu wagen. „Dazu ruft uns der Reformationstag auf.“ Der Anfang sei gemacht. Kirschstein sprach von einem „Reformations-Signal auch an unsere Stadt und an die Gesellschaft.“ Der Ungeist des Antisemitismus, der in Deutschland wieder um sich greife und in Halle zu einem „unfassbar dreisten und unglaublich mörderischen Anschlag auf die Synaoge geführt hat, dieser teuflische Ungeist wird unter uns Christen aller Konfesstionen keinen Zentimeter Raum gewinnen“. Gerade angesichts der Zerrissenheit im eigenen Land „feiern wir Christen unsere Gemeinsamkeit“. Gegen die wachsende Verrohung üben „wir Christen uns in neuer Verbindlichkeit“. Angesichts der drohenden Klimakatastrophe „bemühen wir Christen uns um die Bewahrung der Schöpfung“. Jeder Sonntag werde zu einem „Sunday for Future“.