"Historisches Ereignis": Neuer Kirchenkreis Norden

Norden, 27. Dezember 2012

Interview des OSTFRIESISCHEN KURIERS mit dem Norder Superintendenten

Für den Norder Superintendenten Dr. Helmut Kirschstein steht fest: "Die Bildung des neuen Kirchenkreises Norden ist ein historisches Ereignis." Am 1. Januar 2013 wird dieses "historische Ereignis" Wirklichkeit: Dann wird der neue evangelisch-lutherische Kirchenkreis Norden gebildet. Zu den bisherigen 14 Kirchengemeinden kommen 6 weitere dazu: Marienhafe, Osteel, Leezdorf, Rechtsupweg, Siegelsum und Leybucht. Diese gehörten bisher zum Kirchenkreis Emden, der zum 31. Dezember aufglöst wird. - Zum Beginn einer Serie bringt der OSTFRIESISCHE KUIRIER ein Interview mit dem leitenden Norder Geistlichen, in dem die Hintergründe und Auswirkungen des Zusammenschlusses beleuchtet werden.

Kurier: Was ist der Grund dafür, dass die fünf Kirchengemeinden des Brookmerlandes sowie Leybucht ab 1. Januar zum Kirchenkreis Norden und nicht mehr zum Emder Kirchenkreis gehören?

Superintendent Dr. Helmut Kirschstein: Hintergrund ist ein umfassendes Papier des Kirchenparlamentes in Hannover, der Synode. Es stammt aus dem Jahr 2005. Es beschäftigt sich damit, wie ganz massiv Einsparungen - durch die sinkende Zahl der Kirchenmitglieder und die finanzielle Entwicklung der Kirchen - vorgenommen werden können. Die Synode entschied, dass jeder Kirchenkreis mindestens 45.000 Gemeindeglieder haben sollte und dass Kirchenkreisämter zusammenzulegen sind. In unserem Fall hatte dies zur Folge, dass das selbstständige Kirchenkreisamt Norden aufgelöst und Teil des neuen Kirchenamtes Aurich-Norden-Harlingerland wurde. Sitz dieses neuen Kirchenamtes ist Aurich.  Wir hätten gerne eine Außenstelle hier in Norden behalten, aber wir konnten uns nicht durchsetzen.

Kurier: Und warum gehören die fünf Gemeinden des Brookmerlandes und Leybucht nicht mehr zum Emder Kirchenkreis? Warum wurde dieser aufgelöst?

Kirschstein: Im Vorfeld gab es zwei Gedanken: Von uns aus Norden kam der Vorschlag, den absolut größten Kirchenkreis, den Auricher, zu verkleinern, um andere Kirchenkreise auf die geforderte Größe zu bringen. Doch dieser Weg wurde nicht weiter beschritten. Stattdessen einigte man sich auf den zweiten Vorschlag, den Kirchenkreis Emden, den deutlich kleinsten Kirchenkreis im Sprengel Ostfriesland, aufzulösen. Dies hing auch damit zusammen, dass der Emder Superintendent Voges zum 31. Dezember in Ruhe geht. Außerdem beginnt mit dem 1.1.2013 (bis Ende 2016) überall in unsrer Landeskirche ein neuer  Abschnitt der Stellenplanung. Ein Drittel des Emder Kirchenkreises kommt nun zu uns, der andere Teil verbindet sich mit dem Leeraner Kirchenkreis zum neuen Kirchenkreis Emden-Leer mit Sitz in Leer. Damit wird der Forderung entsprochen, dass jeder neue Kirchenkreis mindestens 45.000 Gemeindeglieder hat. Unserer wächst von 35.000 auf dann etwa 45.000 Gemeindeglieder.

Kurier: Das klingt nach mehr Arbeit. Sind Sie daher mit der Vergrößerung des Kirchenkreises Norden zufrieden? Freuen Sie sich vielleicht sogar auf das, was vor Ihnen liegt?

Kirschstein: Ich bin ein erklärter Gegner von Fusionen und ein erklärter Freund von überschaubaren Dimensionen. Aber in diesem speziellen Fall sage auch ich: Das Brookmerland gehört mehr zu Norden als zu Emden. Beispiele, an denen dies deutlich wird sind die weiterführenden Schulen und auch dieselbe Tageszeitung. Leybucht ist sogar ein Ortsteil von Norden. Unter all den schlechten Möglichkeiten ist dies die beste.

Kurier: Auf was freuen Sie sich bei diesem Zusammenschluss?

Kirschstein: Ich spüre eine inhaltliche Nähe zu den Gottesdienstbesuchern der „neuen“ Gemeinden. Es gibt in diesen Gemeinden ein Interesse an einem lebendigen Gemeindeleben. Die musikalischen Gruppen, die ich bei meinen Besuchen kennenlernen durfte, oder auch welche Formen der Jugendarbeit oder Glaubenskurse es gibt, zeigen mir, dass es ganz rührige Gemeinden sind, die der Kirchenkreis Norden dazubekommt. Und dann gehören künftig zum Kirchenkreis Norden auch die Holy-Orgel in Marienhafe und die Edo-Evers-Orgel in Osteel. Die Osteeler Orgel ist die älteste noch spielbare lutherische Orgel Deutschlands. Damit steht für mich fest: Viel besser könnten wir im Kirchenkreis Norden gar nicht aufgestellt sein.

Kurier: Wie lange aber wird es dauern, bis dieser neue Kirchenkreis zusammengewachsen ist? Schafft er es überhaupt?

Kirschstein: Am 12. Januar wird es in Hage einen Tag für die Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher sämtlicher Kirchengemeinden des neuen Kirchenkreises Norden geben. Er wird ganz bewusst als gemeinsame Veranstaltung für den neuen Kirchenkreis veranstaltet. Bei diesem „Kennenlerntag“ sollen sich alle, die Gemeinde-leitend aktiv sind, gegenseitig wahrnehmen.

Kurier: Und wie lange soll die Integration dauern?

Kirschstein: Wenige Jahre. Ganz offiziell findet ja in jeder Gemeinde alle sechs Jahre eine Visitation statt. So lange soll es aber im Brookmerland nicht dauern: Die sechs neuen Gemeinden werde ich zusätzlich gleich im ersten Halbjahr 2013 in Kurzvisitationen besuchen. Es ist mein ganz persönliches Anliegen und es ist meine Aufgabe als Superintendent, dass sich auch die neuen Kirchengemeinden in unserem Kirchenkreis Norden wohlfühlen.

Kurier: Aber seien Sie ehrlich: Es gibt doch auch Probleme mit der Vergrößerung des Kirchenkreises Norden, oder?

Kirschstein: Mir sind auch Sorgen bewusst. Sie betreffen die Stellenplanung. Das Brookmerland muss große Einschnitte leisten. Es muss zum 1.1.2013 eine komplette Pfarrstelle abgeben. Es tut mir Leid, dass das jetzt mit der Bildung des neuen Kirchenkreises Norden zusammenfällt, aber es hätte so oder so auch beim Fortbestand des Kirchenkreises Emden sein müssen.

Kurier: Bitte erklären Sie dies.

Kirschstein: Im Kirchenkreis Emden gab es mehrere Pastoren, die älter als 60 Jahre sind. Bisher bestand die Regel, dass solche Pastoren durch Jüngere entlastet werden konnten, auch ohne Teile ihrer Arbeit aufzugeben. Dadurch hatte der Kirchenkreis Emden weitaus mehr Pfarrstellen-Anteile, als es normaler Weise möglich gewesen wäre. Jetzt läuft diese Regelung überall in der Landeskirche aus – und deshalb hätte man auch im Brookmerland darauf reagieren müssen, so oder so.

Kurier: Welche weiteren negativen Auswirkungen wird der neue Kirchenkreis Norden haben? Auch ganz speziell bei Ihnen?

Kirschstein: Mir ist bewusst, dass ich eine ganze Menge mehr zu tun bekomme. Das trifft natürlich auch auf  unsere Ephoralsekretärin Andrea Kracke zu. Meine Hoffnung aber bei allem ist: Dass wir den Vorteil eines überschaubaren Kirchenkreises aufrechterhalten können. Und dass sich die Gemeindeglieder aller 20 Gemeinden in unserem neuen Kirchenkreis Norden zu Hause fühlen werden.

Veröffentlicht mit herzlichem Dank an die Redaktion des OSTFRIESISCHEN KURIERS!