Beispielhaft erfolgreich: Hilfe für den Süd-Sudan

Norderney, 29. September 2012

Christel und Günter Selbach organisieren ein "Geburtshaus" für Kadeba

„Kadeba“: eine weiträumige Ansammlung von Strohhütten um einen spärlichen Marktplatz - eine Fläche von der Größe und Bevölkerungsdichte wie der Landkreis Aurich! "Kadeba": für Mitteleuropäer unvorstellbare Lebensbedingungen - ohne fließendes Wasser - kein elektrisches Licht in den Strohhütten - Lehm- und Sandwege, die nur außerhalb der Regenzeit passierbar sind - ohne Ärzte - keine Apotheke - ohne Geschäfte… "Kadeba":    Diesen Namen hörten die Norderneyer Christel und Günter Selbach    (Pastor i.R.), langjährig Mitarbeitende im Sudan-Arbeitskreis des Kirchenkreises Norden, im Winter 2008 zum ersten Mal. Damit    begann eine Geschichte der außergewöhnlichen Hilfe.

Zu der Zeit waren sie in Khartoum, der Hauptstadt des Sudan. Nach der Pensionierung von Pastor Selbach lebten beide von Januar bis März 2008 dort auf dem Gelände der All Saints-Gemeinde. Sylvester, der Provost (= Superintendent) dieser größten protestantischen (anglikanischen) Gemeinde in der Stadt, hatte das Ehepaar lange zuvor eingeladen und gebeten, für etwas länger in  den Sudan zu kommen. Bei mehreren Kurzvisiten dort und von Sylvester in Aurich hatte man sich kennen gelernt und Freundschaft geschlossen.

Sylvester ist im Südsudan geboren, war aber schon vor vielen Jahren wegen des Bürgerkrieges nach Khartoum, in die Hauptstadt des Landes, geflohen – und viele tausend Südsudanesen mit ihm. Sie lebten in der von hellerhäutigen Arabern geprägten Stadt, meist mehr schlecht als recht. Und erlebten Rassismus.

Nun waren Selbachs in der Khartoumer Gemeinde. Christel Selbach gab vor allen den Frauen aus den Flüchtlingscamps Basis-Informationen im Gesundheitswesen, Günter Selbach versuchte, die geknüpften Partnerschaftsbande zwischen der All Saints Gemeinde und dem Kirchenkreis Aurich zu vertiefen. Nach einigen Wochen fragte Sylvester, ob er den beiden nicht seine Heimat, das Moroland im Süden, zeigen könne. Anfang März 2008 reiste man tatsächlich über Juba, die heutige Hauptstadt des neuen Staates Südsudan, mit einem Geländewagen ins 183 km entfernte Land der Moro, nach Kadeba. Nach 6 Stunden Fahrt über die unbefestigte Piste – vorbei an Panzerwracks, zerstörten Brücken und noch verminten Gebieten - kamen die Besucher tüchtig durchgeschüttelt ans Ziel. Vieles zeigte noch deutlich die Wunden des über 20 Jahre lang wütenden Krieges, aber jetzt war und ist alles friedlich, fernab von den aktuellen    Auseinandersetzungen im Grenzgebiet zwischen Nord- und    Südsudan. Und besonders die Menschen, denen Selbachs    begegneten, waren freundlich, offen, wollten und wollen die Situation für sich und ihre Kinder verbessern, ihren Ort nach vorne bringen. Bei allem zeigten sie eine tiefe Verbundenheit mit ihren christlichen Wurzeln. Bei den Gottesdiensten in vollen Kirchen wurde gelacht und gesungen, getanzt und gebetet. Ehepaar Selbach hatte den Eindruck, dass es in den Urgemeinden kurz nach Christi Auferstehung ebenso intensiv zugegangen sein muss.

Selbachs sprachen mit den Verantwortlichen vor Ort: mit dem Chief und dem Pastor, dem commissioner (= Landrat) und dem medical assistent (= Sanitäter) und fragten nach ihren Zukunftsplänen und –wünschen für Kadeba. Und alle Männer sagten übereinstimmend: Wir bräuchten ein Geburtshaus, damit die Schwangeren einen Ort haben, ihr Kind zur Welt zu bringen und dabei medizinisch betreut werden. Mehrere Frauen seien bereits während der Geburt gestorben. Sie verbluteten, weil sie bei Hochwasser nicht über die vom Krieg zerstörte Brücke zu der 75 km entfernten Klinik kommen konnten. „Wir brauchen ein Geburtshaus“. Dies rührte Ehepaar Selbach an, und sie    versprachen, den Stein ins Rollen zu bringen, die Menschen in    Kadeba mit Geld für den Bau eines Geburtshauses zu unterstützen.

Allein diese Zusage, so wurde später berichtet, habe eine positive Veränderung ausgelöst. Viele Menschen in Kadeba fühlten sich bis dahin von aller Welt verlassen. Sie hatten von internationaler Hilfe im Südsudan gehört, davon kam jedoch nie etwas bei ihnen an. Nun  begannen sie sofort, Lehmziegel zu formen und zu brennen und nach den Plänen eines Ingenieurs ein großes Haus zu bauen.

Christel und Günter Selbach haben auf Norderney, beim Weltladen, bei der Kirchengemeinde und vielen Freunden „angeklopft“ – und viele haben mit kleinen und großen Spenden geholfen. Mit diesem Geld  und einer weiteren großen Hilfe von UNICEF-Sudan konnte das Geburtshaus im November 2011 eingeweiht werden. Zusammen mit der Redakteurin der Norderneyer Badezeitung, Verena Leidig, konnte Ehepaar Selbach an der Zeremonie teilnehmen. Eingeweiht wurde allerdings ein leeres Gebäude, ohne jegliche medizinische Einrichtung: kein Bett, kein Babybett, kein Schrank, kein Geburtsstuhl, keine speziellen Geräte wie Mikroskop oder Personenwaage! Dennoch wurden die Räume gleich in Beschlag genommen. Mütter und Babys    lagerten auf dem neuen, harten Fliesenboden. Bis Ende April 2012 haben dort 59 Kinder das Licht der Welt im Geburtshaus erblickt!

Durch einen glücklichen Umstand wurde einer der Söhne des    Norderneyer Ehepaars darauf aufmerksam, dass an seinem Wohnort ein Krankenhaus geschlossen bzw neu gebaut wurde. Sogleich    fragten Selbachs bei dem zuständigen Verwaltungsleiter an, ob    ein Teil der gebrauchten Betten und Geräte für Kadeba gestiftet werden könnte. Und Dr. Krusch von der Capio Elbe-Jeetzel-Klinik in Dannenberg stimmte zu! Das ermutigte Selbachs, sich nun um    weitere benötigte Dinge für das Geburtshaus zu kümmern:    Babykleidung und Spielzeug, Still-BHs und medizinisches Kleingerät. Schließlich ging es auch darum, einen Container und den Transport zu organisieren – und um weitere Geldspenden für all das zu bitten. Viele, viele haben mitgeholfen: die 2012 Konfirmierten auf der Insel sammelten für ein Mikroskop - der Weltladen, „Um Süd“ und viele Einzelpersonen trugen ihr großes oder kleines „Scherflein“ bei. Auch vom Festland wurden Pakete mit Babysachen und Still-BHs geschickt.

So konnte ein gebrauchter Container gekauft werden (der dann in Kadeba als Lagerraum verbleiben wird). Ehrenamtliche in Dannenberg übernahmen die anstrengende Arbeit des Beladens. Mitte September ging der Container mit der „CMA CGM Magellan“ auf eine ca. 6-wöchige Reise und ist Ende Oktober in Mombasa (Kenia) eingetroffen. Auf dem Landweg (weil der Südsudan keinen eigenen Seehafen hat) erfolgt jetzt der Weitertransport nach Kadeba. Dies wird von der Anglikanischen Kirche vor Ort organisiert.

Christel und Günter Selbach hoffen, im März 2013 auf eigene Kosten wieder in den Südsudan zu reisen, um die Freundinnen und Freunde dort zu besuchen. Dabei werden sie natürlich auch schauen, ob die Containerladung gut in Kadeba angekommen ist und wie es mit dem nächsten von der Dorfgemeinschaft geplanten Projekt steht: eine berufsbildende Schule.

Übrigens sind nach wie vor Geldspenden für Kadeba mehr als herzlich willkommen. Wenn das Geburtshaus-Projekt finanziell abgeschlossen sein wird, kommen alle weiteren Spenden dem Schulprojekt zugute. Die Kontoverbindung lautet: Konto Nr. 0102 996 667 bei der Sparkasse Norderney (BLZ 28350000), Stichwort: KADEBA