Altes Testament neu interpretiert

Norden, 10. Dezember 2008

Prof. Reinhard Achenbach (Münster) in der Kirchenkreiskonferenz

Theologie vom Feinsten gab es in der letzten Kirchenkreiskonferenz 2008: Der Alttestamentler Prof. Dr. Reinhard Achenbach (Münster) gab einen faszinierenden Überblück über neueste Interpretationen der alttestamentlichen Entwicklungsgeschichte.

Spannend für die versammelten Pastorinnen und Pastoren: Wer etwa bis Mitte der 80er Jahre sein Examen abgelegt hatte, erkannte das Arbeitsfeld Altes Testament kaum noch wieder. Alles, was seinerzeit gelehrt und gelernt wurde, ist seither neu auf den Prüfstand gekommen - und es blieb kaum ein Stein auf dem anderen! Die berühmte Quellenschrift "Jahwist"? Fehlanzeige - eine Fiktion, denn diesen "Jahwisten" hat es nie gegeben! Die Geschichte von Adam und Eva aus dem 10. vorchristlichen Jahrhundert? Weit gefehlt! 4. vorchristliches Jahrhundert dürfte richtig sein, also nicht "salomonischer Humanismus", sondern späte Weisheitsschrift!

Entscheidend der neue Grundansatz: Anstatt - wie in den vorangehenden 200 Jahren - die alten Texte immer weiter zu zergliedern und auf vermeintlich selbständige Ur-Einheiten zurückzuführen (was zu einer totalen "Zerschnippelung" der biblischen Texte führte), fragt die Alttestamentliche Wissenschaft jetzt nach den End-Redaktionen und deren Bedeutung: Was waren das für Schreiber, in welcher Situation lebten sie, wogegen wehrten sie sich und wofür traten sie ein - wenn sie älteres Material zusammenstellten und für ihre Generation in eine neue Endfassung brachten?

Eine der grundlegenden Antworten: Weise Schriftgelehrte reagierten beispielsweise auf den Götterkult der Babylonier oder später der Perser - sammelten und schrieben ihre "subversiven Texte", indem sie den Gott Israels als alleinigen Herrscher der Welt verkündeten, teils mit ganz ähnlichen Worten und Vorstellungen, wie ihre babylonischen und persischen Kontrahenten. Orientierendes Zentrum des gesamten Alten Testaments: Exodus 3,14 - die souveräne Selbstoffenbarung und Selbstinterpretation des göttlichen Namens "Jahwe". "Ich bin, der ich bin" - oder: "ich werde sein, der ich sein werde" - oder gar: "ich bin und werde sein, der ich immer schon war" - ein rätselhafter, aber Vertrauen weckender Zuspruch Gottes: "Ich bin bei Euch, egal, was passiert!" Das gilt übrigens auch für alle irritierenden Neuinterpretationen des Alten Testaments...