KKT zum Thema Armut - im Sudan und bei uns

Norden-Süderneuland, 30. Mai 2008

Kirchenkreisparlament kompetent informiert

Gleich zwei Schwerpunktthemen setzte sich der Kirchenkreistag (KKT) in seiner Frühjahrs-Sitzung: Nach mehreren Auseinandersetzungen um strukturelle und kirchenpolitische Fragen widmete sich das Kirchenparlament diesmal dem inhaltlichen Doppel-Thema "Armut": im Sudan und mitten unter uns.

Diese Schwerpunktsetzung ergab sich "aus gegebenem Anlass": Als Vertreter des Sudan-Arbeitskreises hatte Pastor Rolf Meyer-Engeler (Hage) im Februar das nordafrikanische Land bereist. Er traf im Sudan auf die Eheleute Selbach, die schon seit über 20 Jahren diese Partnerschaftsarbeit pflegen. Alle drei berichteten anhand aktueller Fotos nun über ihre Eindrücke. "Unsere Partner arbeiten dort, wo es richtig wehtut", sagte Meyer-Engeler und stellte die vom Kirchenkreis unterstützen Frauen und ihre Projekte vor. In einer Umgebung ohne fließendes Wasser und ohne Elektrizität trafen die Besucher auf desolate materielle Verhältnisse - allerdings auch auf lebendige christliche Gemeinden. Er selbst habe sich reich beschenkt gefühlt durch die herzliche Aufnahme und den zuversichtlichen Glauben der sudanesischen Christen, betonte Meyer-Engeler.

Amtsarzt Dr. Eimo Heeren (Norden) schlug den Bogen zum Thema "Kinderarmut unter uns": Materiell seien auch "arme" Menschen im Norder Land selbstverständlich besser gestellt als im Sudan, "aber das viel größere Elend zeigt sich daran, dass relativ Arme bei uns jede Freude am Leben verloren haben - da sind die Herzen verlorengegangen". Damit verwies er auf eine Armut, "die sich in keiner Statistik ausdrückt". Aber tatsächlich gäbe es auch schlimme materielle Armut bei den über 18.000 Sozialhilfeempfängern im Landkreis Aurich. Drastisch zunehmende Tendenzen zur Verwahrlosung - auch im Blick auf Erziehung, Benehmen, Ernährung - ließen sich feststellen. Gravierende Beispiele elterlicher Brutalität gebe es auch in unserer nahen Umgebung, "da ist Ostfriesland nicht besser dran als anderen Regionen Deutschlands". Man könne nur von Glück sagen, dass spektakuläre Fälle wie z.B. in Bremen oder Hamburg bei uns noch nicht vorgekommen seien.

Über die praktische Hilfe der DIAKONIE informierten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Diakonischen Werks: Im Jahr 2007 habe die Norder Tafel 55 Tonnen Lebensmittel ausgegeben; 831 Personen habe man damit unterstützen können. Auch hier sei die Tendenz der Bedürftigen, die sich "zum Teil unter Tränen" bei den Mitarbeiterinnen melden, deutlich steigend. Auch in der Arbeitslosenberatung, so DW-Mitarbeiter Klaus Bagusat, sei ein solcher Trend feststellbar: Immer mehr Menschen kämen nicht mehr allein, sondern "an der Hand eines Betreuers" zu ihm. Seit Dez. 2004 hat Bagusat über 2.800 Beratungen durchgeführt. Er widersprach der These, das ALG (Hartz IV) sei im Grunde genommen ausreichend, man müsse nur sinnvoller wirtschaften: "Nein, das ist zum Leben zu wenig, wenn Bildung und Teilhabe an der Kultur dazugehören!"

Superintendent Dr. Kirschstein appellierte an die Delegierten, in ihren Gemeinden das Thema weiter zu behandeln und den praktischen Einsatz gegen Armut "in jeder Form" zu verstärken. Dazu gebe das aktuelle Aktenstück Nr. 168 der Synode (Landeskirchliche Mitteilung G 4 / 2008) wichtige Impulse.

Auf anderem Gebiet hatte der KKT dann auch noch Beschlüsse zu fassen: Mit großer Mehrheit plädierte die Versammlung für die Einführung der DOPPIK (kaufmännische Buchführung) zum 1.1.2013. Zum selben Termin soll nun definitiv die Fusion der Kirchenkreisämter Norden, Aurich und Harlingerland in einem neuen "Kirchenamt Aurich" vollzogen werden. Trotz weiterhin bestehender Bedenken gegen die vorgesehene Planung ist der Kirchenkreis Norden bereit, "im Interesse eines gedeihlichen Zusammenwirkens" auf weitere Einsprüche zu verzichten. Man erwarte allerdings die sinnvolle Einrichtung eines mobilen "Front-Office", dem die Landeskirche bereits prinzipiell zugestimmt hat. Erstaunlich: Dem einstimmigen Beschluss des Kirchenkreisvorstands (KKV) schloss sich nun auch der KKT einstimmig an - das sehr gut besetzte Kirchenparlament votierte ohne jede Enthaltung für das differenzierte Votum des KKV und stärkte damit einmal mehr der Kirchenkreisspitze den Rücken.