"Der lebendige Klang des Protestantismus"

Norden, 20. August 2017

Erstes Kirchenkreis-Posaunenfest: "mit Lust und Liebe evangelisch"

Erstes Kirchenkreis-Posaunenfest im Kirchenkreis Norden: Selbst altgediente Bläser konnten sich nicht daran erinnern, so etwas schon einmal hier erlebt zu haben! Rund 70 Mitglieder von Posaunenchören aus (fast) allen Kirchengemeinden des Norderlands trafen sich dazu am Sonnabend und Sonntag im Gemeindehaus der Norder Ludgerigemeinde, zum Festgottesdienst dann in der Ludgerikirche. Die Veranstaltung stand unter der Leitung des Landesposaunenwarts Hayo Bunger (Leer) und des neuen Kirchenkreiskantors für Popularmusik, Marc Waskowiak (Norderney).

Besonderen Anlass zu dieser Großveranstaltung bot das Jubiläumsjahr „500 Jahre Reformation“. Dementsprechend stand die gemeinsame Erarbeitung von Luther-Chorälen im Mittelpunkt. Aber gerne wollte man die Freude an der Blechblasmusik auch mit anderen teilen: An verschiedenen Orten zelebrierten die Musiker ein „klassisches“ Kurrende-Blasen. Vor dem Teemuseum freuten sich die Passanten über das besondere Hörerlebnis. Wichtig war den Bläserinnen und Bläsern auch, den alten Menschen im Seniorenheim der AWO eine Freude zu bereiten. Weitere geplante Einsätze fielen buchstäblich ins Wasser. Das anschließende Grill-Fest konnte zumindest stattfinden - die Bläserinnen und Bläser hatten es sich redlich verdient.

Höhepunkt des musikalischen Wochenendes war dann sicherlich der feierliche Gottesdienst in der größten mittelalterlichen Kirche Ostfrieslands. Festliche Musik prägte die Veranstaltung – vom ersten bis zum letzten Ton. Der Klangeindruck war gewaltig, obwohl wegen der großen Zahl der Mitwirkenden die Oberstimmen und die Bässe in den Seitenschiffen verschwanden.

Den Auftakt machte der Choral „Nun jauchzt dem Herren, alle Welt“ mit der charakteristischen Schluss-Zeile: „...Gott loben, das ist unser Amt“. Wie wahr! Denn die vereinigten Posaunenchöre spielten auch die gesamte Liturgie mit, so dass die Arp-Schnitger-Orgel an diesem Sonntag pausieren konnte. Ansonsten war von A bis Z „Martin Luther“ angesagt: Der Spannungsbogen reichte von seinem Pfingst-Choral „Nun bitten wir den Heiligen Geist“ über die protestantische Hymne „Ein´ feste Burg ist unser Gott“ bis zum Gebetsruf „Verleih´ uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten“.

Im Zentrum stand allerdings das „Erzähllied“ „Nun freut euch, lieben Christen g´mein“ von 1523, mit dem Martin Luther seinen eigenen Lebens- und Glaubensweg nachdichtet und unter den Aufruf zur Freude stellt. Superintendent Dr. Helmut Kirschstein legte die 10 Strophen – immer im Anschluss an Posaunenspiel und Gemeindegesang – in seiner Lied-Predigt aus. Er verwies auf den dramatischen Hintergrund dieses zweiten von Luther gedichteten Liedes – sein allererstes bezog sich nämlich auf die Hinrichtung der ersten evangelischen Märtyrer, die man kurz zuvor in Brüssel auf dem Scheiterhaufen verbrannt hatte. So stellt der Reformator also den Aufruf zur Freude und die Erzählung vom heilvollen Christus-Geschehen gegen den religiösen Wahn, gegen die Unterdrückung der Wahrheit und gegen die Menschenverachtung. Ein gesungener und musikalischer Protest! Der Prediger brachte es auf den Punkt: „Jeder Posaunenchor, der im Sinne Martin Luthers aufspielt und gegen das Dunkel an-spielt, ist ein klingender Ausdruck dieses Protestantismus.“

Indem das Lied die singende Gemeinde in den Dialog von Gott-Vater und Gott-Sohn, aber auch in das Gespräch Christi mit dem gläubigen Menschen hineinnimmt, werden die evangelischen Inhalte musikalisch nachvollzogen: Mit dem „solus Christus“ (Christus allein genügt zum Heil), dem „sola fide“ (der Glaube allein genügt, niemand muss sich Gottes Zuwendung „verdienen“), dem „sola gratia“ (weil Gott sein Herz verschenkt, liegt alles allein an seiner Gnade) und dem „sola scriptura“ (allein durch die Heilige Schrift wird Gottes Wort laut – auch kritisch gegenüber jeder Tradition) zielt das Luther-Lied auf das typisch evangelische „Priestertum aller Gläubigen“: Weil der Christ nicht länger um sein eigenes Seelenheil kreisen muss, kann er „frei für andere“ eintreten: Dafür „haben wir Christen ein weites Herz und einen offenen Blick und die Hände frei.“ Alles zusammen ist Grund zur Freude: „Da kann die Melodie nicht fröhlich genug sein und der Posaunenchor niemals zu groß und der Blechbläserklang nicht laut genug!“

Aber natürlich imponierte nicht nur die Lautstärke: Kunstvolle Intraden, rhythmisch anspruchsvolles Spiel und chromatische Überraschungen faszinierten die zahlreichen Gottesdienstbesucher. So stimmte die versammelte Gemeinde am Ende nicht nur singend ein – sie zollte den Musikern und ihrer engagierten Leitung langanhaltenden Applaus.