Populärer Luther: "Wir sind Gottes Kinder"

Aurich / Norden, 31. März 2017

Luther-Pop-Oratorium mit Ohrwurm-Qualitäten begeisterte in Aurich

Ein besonderer Höhepunkt des Reformationsjubiläums zog Gäste aus ganz Ostfriesland in seinen Bann: das Pop-Oratorium "Martin Luther" (Text: Michael Kunze, Musik: Dieter Falk) erlebte in der Auricher Stadthalle eine viel-umjubelte Aufführung. Mit dabei: gut 200 Sängerinnen und Sänger aus der Region, unter denen die Norder Ludgeri Gospel Singers den größten Chor ausmachten. 11 professionelle Musical-Akteure faszinierten die 750 Besucher - es hätten gerne noch mehr sein können, denn seit rund 6 Wochen war die Aufführung komplett ausverkauft.

"Griechischer Wein“ und „Ein Bett im Kornfeld“ sind nur zwei von zahllosen bekannten Schlagern,die wir dem Texter Michael Kunze zu verdanken haben. Zuletzt sorgte er allerdings vorwiegend mit Adaptionen von Musicals und eigenen Musik-Dramen für Aufsehen. Eines seiner jüngsten Projekte ist das gemeinsam mit dem Komponisten Dieter Falk verfasste Pop-Oratorium über den Reformator Martin Luther.

Eigentlich haben die Macher für ihr Pop-Oratorium, dessen Uraufführung im Oktober 2015 in der Dortmunder Westfalenhalle stattfand, weit über 1000 Sängerinnen und Sänger plus ein komplettes Sinfonieorchester plus eine Rockband vorgesehen. Aber erstens hätte das den Rahmen der alt-ehrwürdigen Auricher Stadthalle deutlich gesprengt. Zweitens war der rund 200 Personen starke Chor für sich schon eindrucksvoll genug.

Neben den Nordern stellten auch Chöre aus Meppen, Aurich, Backemoor, Mittegroßefehn, Spetzerfehn, Moordorf, Wallinghausen, Remels und Horste größere Kontingente. Die Sängerinnen und Sänger hatten sich im Vorfeld für diesen Auftritt bewerben dürfen, manch einer bekam schließlich eine Absage, weil der Bühnenraum in Aurich einfach nicht mehr Platz bot. Engagiert und mit viel Esprit leitete Maxim Poljakowski, Kantor der Auricher Lambertigemeinde, den Massenchor und die gesamte Aufführung (weitere Aufführungen fanden von Donnerstag bis Sonntag in Hildesheim, Loccum und Celle statt - stets mit regionalen Groß-Chören).

Für die Livemusik erwies sich die sechsköpfige Band, deren Mitglieder aus Platzmangel abseits der Bühne untergebracht werden mussten, mit zwei Keyboards, Gitarre, Bass, Trompete und Schlagzeug als völlig ausreichend. Die Komplexität klassischer Oratorien im Stile von Komponisten wie Haydn oder Händel hat Dieter Falk wohl ohnehin nicht angestrebt. Die meisten Melodien klangen recht eingängig und entwickelten schnell Ohrwurmqualitäten. Der umfangreiche Chor, durch den eine Art Gospel-Effekt erzielt wurde, unterstützte das noch zusätzlich.

Deswegen konnte man viele Lieder schon nach kurzem Reinhören relativ leicht mitsingen, was manche am Freitag im Publikum denn auch umgehend taten. "Die Wahrheit ist ein scharfes Schwert" bleibt ebenso im Gedächtnis wie "Am Anfang war das Wort" oder Luthers Zielvorgabe "(Ich will) Selber denken". Erstaunlich, wie gut es Dieter Falk gelungen ist, auch traditionelle Luther-Choräle in rhythmisch ansprechende Popular-Musik zu überführen: "Nun freut euch, lieben Christen g´mein" war ständiges Grundthema (etwa gleich zum Auftakt beim "L-U-T-H-E-R"), in neuem Gewand erklang aber auch der Osterhymnus "Christ ist erstanden / von der Marter alle", und selbstverständlich durfte unter dem Motto "Luthers Hammerschläge" sein berühmtestes Lied nicht fehlen: "Ein feste Burg ist unser Gott".

Gleichermaßen „griffig“ war die mit etlichen markanten Luther-Zitaten gespickte Handlung. Als Dreh- und Angelpunkt präsentiert Librettist Michael Kunze den Auftritt des Reformators im Jahre 1521 in Worms vor dem Reichstag, als er gezwungen werden sollte, seine Lehren zu widerrufen, jedoch standhaft blieb.Der innere Konflikt des Protagonisten und die Auseinandersetzungen mit seinen Gegnern zogen sich wie ein roter Faden durch die komplette Inszenierung. Die Hauptakteure auf der Bühne brachten das am Freitag insgesamt sehr engagiert und überzeugend rüber. Historisierende Kostüme waren nicht vorgesehen - minimalistische Requisiten unterstützten die Handlung allerdings sinnvoll, und gerade so kam das pantomimische Können der Darsteller ausgezeichnet zur Geltung. Stellenweise waren die Gesangsmikrofone nur etwas zu hart ausgesteuert.

Inhaltlich gelangen über die sich im 16. Jahrhundert rasch verbreitende Buchdruckkunst ein paar interessante Querbezüge zu den heutigen sozialen Medien inklusive der momentan heiß diskutierten „Fake News“. Gesellschaftskritisch entwickelte sich das Geschehen rund um den Ablasshandel. Wenn etwa das berühmte Bankhaus Fugger beklagte, dass Martin Luther die "Säulen unsrer Wirtschaft" angreift, stellte die Gewissensfreiheit offensichtlich den gnadenlosen Kapitalismus in Frage.

Alles in allem dominierten wohlgefällige Melodien mit einer gesunden Portion Romantik und Drama sowie als Quintessenz die von Luther selbst formulierte Erkenntnis: „Niemand steht zwischen Gott und Dir. Lasst uns mutig und wahrhaftig sein - und frei!“ Besser und prägnanter kann man den Kern der reformatorischen Botschaft fast nicht auf den Punkt bringen. So stand denn auch beim Finale der gesamte Saal, und alle sangen diesen Text begeistert mit.

>Martin Luther populär: Wer weiß, ob aus dem Reformator heutzutage nicht vielleicht ein ähnlich erfolgreicher Schlagertexter geworden wäre wie Michael Kunze. Das Zeug dazu hätte er jedenfalls allemal gehabt.

Bearbeitet unter dankbarer Verwendung eines Artikels aus dem Ostfriesischen Kurier.