"Wind of Change" - ökumenisch unter freiem Himmel

Norden-Tidofeld, 05. Juni 2017

Gnadenkirche Tidofeld: 300 Menschen beim Ökumenischen Pfingsgottesdienst

„Heimat finden“ hieß das Motto am Pfingstmontag in Tidofeld – und rund 300 Menschen machten sich auf die Suche. Eine Überraschung, denn mit so vielen Gästen hatten die Veranstalter kaum zu rechnen gewagt! Immerhin war es das erste Mal, dass sich der schon traditionelle Pfingstgottesdienst der Norder Ökumene ins Freie traute. Veranstaltungsort und Motto passten aber auch wunderbar zusammen: Die Dokumentationsstätte im Norder Stadtteil Tidofeld widmet sich seit ihrer Einweihung im November 2013 der Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den Nachkriegsjahren 1945-60, aber auch die Heimatsuche der Gastarbeiter, Boat-People und Russlanddeutschen findet hier einen Raum, bis hin zur Integration der jüngsten Flüchtlingswellen aus Afrika und Vorderasien.

Pfarrer Bernd Heuermann (röm.-kath. Ludgerusgemeinde), Pastor Rolf Schwärzel (Freie evang. Gemeinde „Im Spiet“) und Superintendent Dr. Helmut Kirschstein (ev.-luth. Ludgerigemeinde und Kirchenkreis Norden) hatten den besonderen Gottesdienst miteinander vorbereitet – offenbar in einem guten Geist, der ihrem Miteinander abzuspüren war. Angefangen mit ihrer launigen Begrüßung zu Dritt, teilten die drei Geistlichen auch die Gebete, Lesungen und Ansagen unter sich auf.

Eine tragende Rolle spielte die Musik: Die evangelische Berumerfehntjer Kirchenband „Perception“ eröffnete den Gottesdienst mit dem berühmten „Wind of Change“ der Scorpions (seinerzeit die „Hymne“ zu den radikalen Veränderungen in Osteuropa). Eine Zeitansage auch für die christliche Ökumene? Jedenfalls steuerte die Band nicht nur melodiösen Lobpreis bei, sondern unterstützte auch den Gemeindegesang und erfreute die Gläubigen generations-übergreifend mit frischen Klängen. Nicht weniger beeindruckend war die Teilnahme des Vietnamesischen Chors ehemaliger Boat-People, die aus ihrer katholischen Tradition heraus pfingstliche Choralbearbeitungen einbrachten und auch durch ihr besonderes Outfit bestachen.

Die Predigt zum Thema „Heimat finden“ hielt der Norder Superintendent. Die Sehnsucht nach einer buchstäblich „himmlischen“ Heimat sei so alt wie die Bibel, sagte Dr. Kirschstein. Schon der Hebräerbrief im Neuen Testament greife auf die „Migrations-Erfahrungen“ von Abraham, Isaak und Jakob im Alten Testament zurück. Wenn selbst die Urväter des Glaubens nur „zu Gast in einem fremden Land“ waren, bliebe auch unsre Beheimatung immer etwas Vorläufiges. Selbst die beste Heimat könne nur eine Art Abglanz sein von dem, was noch kommt. Im besten Falle sei also auch Deutschland lediglich ein „Symbol für die ewige Heimat“, selbst wenn mancher Flüchtling es zunächst mit dem Paradies verwechsle. Er selbst träume von einem gemeinsamen Zuhause für Alteingesessene und neu Zugezogene, die gemeinsam auf dem Weg zur erhofften Heimat seien. „Der Wunsch verbindet uns.“ Christlich betrachtet sei jeder Mensch nur ein Gast auf Erden. Als Christen könnten ein Deutscher und ein Eritreer gemeinsam dankbar sein, in einem weltoffenen, hilfsbereiten Land wohnen zu dürfen. Diese Perspektive mache „demütig und barmherzig“.

Heimat zu finden, sei letztlich „das große Menschheits-Thema von Pfingsten“: Der Geist tiefer „Sehnsucht nach Versöhnung und Verständigung“ breite sich seit 2.000 Jahren aus und führe zu einer bestimmten Definition des Christseins: Christen sind Menschen, die einander „Heimat gönnen“ und für andere „Heimat bereiten“ – voller Hoffnung auf die gemeinsame himmlische Zukunft aller.

Ganz im Sinne des Pfingstfestes erklangen dann unterschiedliche Sprachen zur abschließenden Fürbitte: Mit dem Deutschen wurden auch englische, spanische, koreanische, vietnamesische und iranische Gebete vor Gott gebracht.

Im Anschluss freuten sich die Teilnehmer über die angebotene Kuchentafel. Bei Tee und Kaffee wurde die Ökumene persönlich gestärkt. Zahlreiche Besucher nutzten gerne die Chance zum kostenlosen Besuch der Dokumentationsstätte und vertieften sich in so manche Geschichte der Nachkriegszeit, die plötzlich so aktuell klingt wie die Erzählungen gegenwärtiger Flüchtlinge aus Syrien oder Eritrea.