„Reformativ sein“: "Denkmalisierung" verhindern!

Norden, 25. Februar 2017

3.Tag für Kirchenvorstände und KKT-Delegierte zum Reformations-Jubiläum

Den größten Teil des Tages verbrachten die kirchlichen Verantwortungsträger, zu denen sich auch Lektorinnen und Lektoren, Stadtführer und einige Lehrer gesellt hatten, im Norder Ulrichsgymnasium: Die Schule hatte ihre Räume geöffnet, so dass Aula und Mensa, Musikraum und weitere Klassenzimmer genutzt werden konnten. Zur Eröffnung hielt Professorin Athina Lexutt, Kirchengeschichtlerin an der Universität Gießen, einen inspirierenden Vortrag. „Luthers Theologie in den Herausforderungen von heute“ stellte sie unter den Kunstbegriff „reformativ“, der (man vergleiche „kreativ“ oder „innovativ“) die aktuelle Dynamik unterstreichen sollte. „Wir müssen eine Denkmalisierung Luthers verhindern.“ Exotisch muteten ihre Beispiele an: Manchmal denke sie, das Jubiläum werde wohl "gefeiert, bis der Reformator kommt". Luthersocken und der Playmobil-Luther, ein Reformationshammer („evangelisch: immer was zu tun“) und ein Luther-Quietsche-Entchen zeigten, welch skurrile Blüten das Reformationsjubiläum treibt.

Dagegen entwickelte die Professorin die Bedeutung der Reformation für das gegenwärtige Leben und Glauben, indem sie jeden Buchstaben des Wortes „reformativ“ mit einem Begriff entfaltete. So legte sie unter „E“ etwa die Bedeutung der persönlichen „Erfahrung“ für die reformatorische Grundhaltung aus, betonte unter „F“ die Bedeutung der „Freiheit“ („die Reformatoren haben für die Freiheit gekämpft“) und unterstrich zum „M“ den erstaunlichen „Mut“, der die Protestanten auszeichnete und der bis heute weiterwirke: Die Reformationszeit sei voller „Mut-Geschichten“, wobei im Angesicht Gottes allerdings auch das Wissen um die eigenen Grenzen dazugehöre: „Erst das Zusammenspiel von Mut und Demut macht uns zu reformativen Menschen.“

Wichtig nahm die Professorin auch das „T“, indem sie hier Grundgedanken zur „Toleranz“ vorstellte. Erfunden hätten die Reformatoren diesen Begriff natürlich nicht, auch sie hätten sich zu manchen „Abscheulichkeiten“ hinreißen lassen. Richtig sei es dennoch, mit den Reformatoren nach der „Toleranz Gottes“ zu fragen, der die menschlichen Unzulänglichkeiten mit erstaunlicher Geduld ertrage: „Toleranz richtet sich immer auf den, der alles andere als liebenswert ist.“ Ohne die eigene Position aufzugeben, bedeute dies für den Christen, gerade dem ungeliebten Gegenüber mit Respekt entgegenzutreten. Allerdings dürfe auch heute ein „reformativer“ Mensch der Wahrheitsfrage nicht ausweichen: „Das sind wir den Menschen schuldig.“ Dazu gehöre aber auch, sich selbst im Angesicht Gottes in Frage zu stellen, um nicht in eine „arrogante Selbstgefälligkeit“ zu verfallen.

Aspekte ihres Vortrags konnten interessierte Teilnehmer anschließend in einem Workshop vertiefen. Andere Werkstätten widmeten sich der protestantischen Kirchenmusik (Kirchenkreiskantor Marc Waskowiak) oder dem ökumenischen Miteinander (Ökumenebeauftragter Woldemar Flake, Hannover). Aus dem Hannoverschen Landeskirchenamt war auch der Chef der Rechtsabteilung angereist: Oberlandeskirchenrat Dr. Rainer Mainusch stellte sich der Frage „Wozu brauchen wir in der Kirche Gesetze?“ Und Pastor Andreas Scheepker, Religionspädagogischer Studienleiter aus Aurich (ARO), untersuchte anhand charakteristischer Textbeispiele die Lutherbibel 2017 und weitere neue Übersetzungen.

Der Tag endete mit einem Abendmahlsgottesdienst im Hochchor der Ludgerikirche, die zu diesem Anlass ausnahmsweise (Heizungsbau-Maßnahmen!) geöffnet wurde. Landessuperintendent Dr. Detlef Klahr hielt in gewohnt launiger Weise die Predigt: „Christus im Herzen“ zu tragen, sei die entscheidende Grundlage, um christliche Verantwortung zu übernehmen, so der Regionalbischof. Zum Abschied überreichte er allen Teilnehmenden eine Frühlings-Tulpe: ein „reformatives“ Symbol gegen die Kälte der Zeit.