Evangelische Liebeserklärung: VIVA la Reformation!

Norden, 09. Juni 2017

Tiefsinniger Spaß: Pastor Ingmar Maybach bringt Kabarett ins Jubiläumsjahr

„Das ist das erste Mal, dass ich bei einer CSU-Veranstaltung bin“, sagte ein Gast, bevor es losging. Und doch war er hier richtig und sollte es nicht bereuen: Die „Christlich Satirische Unterhaltung“ (eben: CSU) gastierte zum dritten Mal in der Ludgerikirche und brachte jede Menge Kabarett ins Jubiläumsjahr des Kirchenkreises Norden! „VIVA la Reformation!“ hieß das Best-of der bisherigen Programme des Kabarettisten und Pastors Ingmar Maybach, mit dem er ganz Deutschland bereist. Neu war die Beteiligung der Arp-Schnitger-Orgel, der Organist und Keyboarder Marcus Rau auch ungewohnte Töne entlockte.

Was spießte der „Spaßmacher Gottes“ (Tagesspiegel Berlin) nicht alles auf an typisch Protestantischem und unfreiwillig Komischem! Gleich zu Beginn forderte er von den Evangelischen, doch bitte mehr von den Katholiken zu lernen: „Mut zum Personenkult“, damit endlich „ein Ruck durch die Volkskirche geht“! Das „Priestertum aller Gläubigen“ sei ja inzwischen in aller Munde, seit die BILD-Zeitung zur Wahl des „deutschen Papstes“ getitelt habe: „Wir sind Papst“. Kommentar des Kabarettisten: „Was Luther begann, hat Springer vollendet!“

Auch Aktuelle Fragen griff Maybach auf – eingängig mit seinem Blues, bei dem Keyboarder Rau auch schon mal „Ein feste Burg“ ins rockige Schema einbaute: „Wenn sich etwas ändern soll, sorge selbst dafür. / Nagle deine Thesen an die richtige Tür, / denn Reformation ist immer, Reformation ist hier.“ Ecclesia semper reformanda – und die Gesellschaft eben auch!

Witzig und für alle Pastoren sofort nachvollziehbar: das Ringen um die Predigt in der Nacht von Samstag auf Sonntag, wenn aus dem „homiletischen Dreieck“ (Prediger-Gemeinde-Text) pötzlich ein „Bermuda-Dreieck“ wird, in dem alle guten Einfälle verschwinden... Wie hier, hatten es Eingeweihte leicht, dem Spaß zu folgen: Nach dem miserablen deutschen Abschneiden beim „European Song Contest“ (ESC) schlug Maybach einen Song mit biblischen Liebesbekundungen vor – und setzte zwölf Verse aus dem Alten und Neuen Testament in einen typischen Schlager um. Allerdings bedauerte er, dass die „Südsee-Tänzerin Katharina von Bora-Bora“ heute nicht dabei sein konnte... Umso mitreißender sein Auftritt als „Ingmar Gildo Alexander“ mit Hawaii-Hemd und Sonnenbrille, Refrain: „Nun aber bleiben Glaube, Liebe und die Hoffnung...“ Kein Wunder, dass die Bibel so etwas Populäres hergibt – geht es in diesem Buch doch stets um die „Liebesbeziehung Gottes zum Menschen“! Wieder was gelernt...

Wie erfolgreich die Reformation als „religiöse Sozialdemokratie“ sei (Veränderung einfordern, aber nur nicht zu radikal sein!), habe ausgerechnet Angela Merkel, die „oberste evangelische Pfarrerstochter“ bewiesen. Ihr Satz „Das ist alternativlos“ sei nichts anderes als ein modernes „Hier stehe ich, ich kann nicht anders!“

Grenzwertig die tiefsinnigen Betrachtungen zum Münsteraner Täuferreich des 16. Jahrhunderts – ein evangelischer IS: „Wir können auch radikal!“ Einfach mal zum Lachen die Anekdote, wie Maybach mit seiner gebündelten Haarpracht als junger Pfarrer beim ersten Besuch einer 80-jährigen begrüßt wird: „Ich hab´ Sie gleich an Ihrem Schwanz erkannt!“ Künstlerisch genial seine an Hannes Wader erinnernde Autobiographie, zu Mundharmonika, Gitarre und Kirchenorgel gesungen auf die Melodie von „O Haupt voll Blut und Wunden...“

Typisch evangelisch, changierten die Inhalte zwischen gesellschaftlicher Verantwortung und Gemeindeleben: Auf den Spuren Max Webers analysierte Maybach die protestantische Arbeitsmoral, deren konsequente Umsetzung zum Kapitalismus geführt habe. „Auch Jesus war – evangelisch! Wäre er katholisch gewesen, hätte er bei der Hochzeit zu Kanaa einfach nur mitgefeiert, anstatt angesichts der Wasserkrüge weiterzuarbeiten...“ Verblüffend dann, wie Maybach ein Gemeindeleben besang, das alle Anwesenden irgendwie zu kennen schienen: „Aber bitte mit Pastor“! Als Beispiel zur Jugendarbeit: „Bunjee-Jumping und Disco, / so stellen sie sich Spaß vor – aber bitte mit Pastooor.“

Zum Schluss mussten dann doch alle Anwesenden noch einmal selber ran – und sangen die protestantische Hymne „Ein feste Burg“ in elementarisierter Form kräftig mit. Das Besondere war der Rap, mit dem alle Männer skandierten: „Und wenn die Welt voll Teufel wär´...“, während die Frauen Malle-mäßig hineinriefen: „Hölle, Hölle, Hölle“... Wolle Petry meets Johann Sebastian Bach – was für ein himmlisches Vergnügen. VIVA la Reformation!