Würdiges Gedenken zwischen Klage und Dankbarkeit

Norden, 17. Dezember 2017

Kirche und Deichachten: Gottesdienst erinnert an die Weihnachtsflut 1717

Eine Kirche, die schon die Weihnachtsflut von 1717 überstanden hat, schien ehrwürdiger Rahmen für den Gedenkgottedienst der zahlreichen Todesopfer dieser Katastrophe zu sein. Gemeinsam mit den ostfriesischen Deichverbänden hatte die Ludgeri-Kirchengemeinde deshalb dazu eingeladen, stellvertretend für den Kirchenkreis und die gesamte Region – und das Norder Gotteshaus war gut besucht. „Wir wollen uns nach einem Gott der Hoffnung ausstrecken. Gerade angesichts der Katastrophe von damals und dem Leid von heute“, eröffnete Superintendent Dr. Helmut Kirschstein den Gottedienst. Das geschehe durch Klagen und Gedenken, aber auch durch Danken. Die verheerendste Flutkatastrophe, die wohl jemals die Nordseeküste betroffen hatte, führte nämlich zu verstärkten Anstrengungen im Deichbau, so dass sich ein derartiges Desaster nicht wiederholte.

Für einen besonders feierlichen Rahmen sorgten ein Musikensemble, bestehend aus Norder Konfirmanden und Kantorin Agnes Luchterhandt, das zeitgenössische Musik von Georg Philipp Telemann spielte, sowie die Sängerin Christine Schmidt-de Vries, die, begleitet von ihrem Sohn Mathis, Lieder mit nachdenklichen Inhalten vortrug – teils auch auf plattdeutsch.

Der ehemalige Landrat Walter Theuerkauf hielt einen historischen Rückblick und orientierte sich in seiner Ansprache an Goethes „Faust“, in dem sich der Protagonist schon mit Landgewinnung und Küstenschutz befasste. Er verdeutlichte, dass das Leid der Menschen nicht mit dem Überleben der Flut überstanden war: „Es dauerte noch länger, bis Deich- und Sielordnungen die Aufgabe von staatlichen Behörden klarer regelten.“ So sei erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Küstenschutz als Gemeinschaftsaufgabe des Bundes und der Länder durch das Grundgesetz geregelt worden. Dabei dankte er vor allem den Deich- und Sielachten für deren wertvolle Aufgabe: „Sie pflegen und verwalten die Deiche und können dabei auf die Erfahrungen aus rund 1000 Jahren Küstenschutz sowie den neuesten Erkenntnissen der Wasserbauer zurückgreifen.“ Die Menschen hätten es mit Vernunft und Solidarität geschafft, den Küstenschutz so zu organisieren, dass eine große Sicherheit hinter den Deichen herrsche. „Wir können dankbar und stolz sein, dass es seitdem keine großen flächendeckenden Flutkatastrophen mehr gegeben hat“, so Theuerkauf. Gleichzeitig mahnte er, nicht in Selbstzufriedenheit und Triumph zu verharren. „Wir müssen weiter sensibel für den Klimawandel sein, demütig mit der Natur umgehen und vor allem nicht den Respekt vor ihr verlieren“, betonte er.

In seiner Predigt ging Dr. Helmut Kirschstein darauf ein, dass jede Katastrophe die Menschen zur Besinnung rufen könne: „Zur Besinnung darauf, dass Gott wesentlich ist.“ Im Predigttext für den dritten Advent heiße es in Jesaja 40: „Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott.“ Das sei Medizin für verletzte Seelen, so Kirschstein. „Das Trösten hat doch einen ganz anderen Klang als das vielfach vermutete Strafgericht Gottes hinter der Flut“, erläuterte Kirschstein. Dieses Trösten und Heilbringen Gottes sei die eigentliche Botschaft des Evangeliums. Gerade in der Adventszeit, in der Gottes menschliche Ankunft erwartet werde, sei dieser Gedanke prägend. „Deich- oder Klimakatastrophen sind bei ihm nicht vorgesehen. Tröstet, tröstet mein Volk“, schloss er seine Predigt ab.

Zum Abschluss des Gedenkgottesdienstes luden die sieben ostfriesischen Deichverbände noch zu Tee und Weihnachtsstollen in den Chorumlauf der Ludgerikirche ein. Dort konnten sich die Besucher zudem eine Ausstellung mit einigen informativen Stellwänden zum Thema ansehen.

Text leicht modifiziert aus dem Ostfriesischen Kurier. Foto: Ostfriesische Landschaft (Former) – Dank an beide!