Afghanistan: "Ungerechter Krieg - gerechter Friede?"

Norden, 09. März 2011

Friedensbeauftragter P. Klaus Burckhardt vor der Kirchenkreiskonferenz

"Nichts ist gut in Afghanistan": Diese fünf Worte der damaligen Landesbischöfin Margot Käßmann sorgten vor genau einem Jahr für Furore. Vor der Kirchenkreiskonferenz Norden knüpfte der Friedensbeauftragte der Hannoverschen Landeskirche, Pastor Klaus Burckhardt, jetzt daran an. Ist der Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch friedens-ethisch gerechtfertigt - oder sollten die Truppen so bald als möglich abgezogen werden?

Um sich einer Antwort anzunähern, griff Burckhardt auf die Friedensdenkschrift der EKD von 2007 zurück. Er griff die darin enthaltenen "Kriterien zum Einsatz rechtserhaltender Gewalt" auf und wendete sie ansatzweise auf den Afghanistan-Einsatz an.

Grundsätzlich machte er deutlich, dass christlicherseits die "Weltunordnung" durch eine klare Prioritäten-Setzung auf zivile Konfliktlösung und intensive Entwicklung globaler Gerechtigkeit überwunden werden muss. Militärische Optionen können genau so grundsätzlich nur nachgeordnet sein und als von den UN verantwortete Notmaßnahmen allenfalls vorübergehende Bedeutung bekommen. Während die Bundesregierung aber einerseits statt der vereinbarten 0,7 % des Bruttosozialprodukts nur 0,3 % für Entwicklungshilfe ausgibt, sei der Waffenexport aus Deutschland in den letzten Jahren drastisch angestiegen. Jede Form der Gewaltverherrlichung, aber auch schon der "Mythos der erlösenden Gewalt" müsse angesichts solcher Fehlentwicklungen einem internationalen Kriegsächtungsprogramm weichen. Statt das "Recht des Stärkeren" zu propagieren, müsse die "Stärke des Rechts" triumphieren.

Der Referent belegte seine Thesen mit frappierenden Opferzahlen der Kriege nach 1945 und zeigte auf, dass statistisch gesehen selbst Terrorgruppen nur zu 7 % durch militärische Macht besiegt wurden, die weitaus größte Zahl sich vielmehr durch politische Maßnahmen auflöste (US-amerikanische RAND-Studie im Blick auf 648 aktive Gruppen zwischen 1969 und 2006).

Anhand von sieben allgemeinen Kriterien einer "Ethik rechtserhaltender Gewalt" stellte Pastor Burckhardt schließlich den Afghanistan-Einsatz westlicher Truppen auf den Prüfstand. Und kam zu einem überaus kritischen Ergebnis: Der "Erlaubnisgrund" sei insbesondere von den USA mehrfach verändert worden, die "Autorisierung" fragwürdig, die "richtige Absicht" wie auch die Gewalt als "äußerstes Mittel" problematisch, die "Verhältnismäßigkeit der Folgen wie der Mittel" kaum zu gewährleisten, was auch (etwa im Blick auf die zivilen Opfer von Kunduz) mit den Schwierigkeiten bei der Einhaltung des "Unterscheidungsprinzps" korrespondiere.

Ökonomisch wie ökologisch, aber auch schlicht menschlich sei dieser Krieg eine "Katastrophe": "Von Stabilisierung kann keine Rede sein." Konkrete Folgen seien auch in Deutschland zu spüren: Tote, verletzte und vor allem hunderte von thraumatisierten Soldaten seien zu beklagen. Aus alledem ergebe sich - wie der Friedensbeauftragte der EKD, Renke Brahms, schlussfolgert - das Fazit, "jetzt die Reißleine zu ziehen". Die Öffentlichkeit müsse schnellstens jede "Täuschung und Selbsttäuschung" über den Afghanistaneinsatz überwinden. Einem konkreten Stufenplan zum Abzug der deutschen Truppen sollten ebenso konkrete Maßnahmen zur Umsetzung einer nachhaltigen Friedenspolitik entsprechen, die auf humanitäre Hilfe und die Überwindung der Ursachen von Hunger, Armut und Gewalt ziele.