"Weihnachtliche Flüchtlingsfrage" - kritisch skizziert

Norden-Tidofeld, 09. Dezember 2016

Dokumentationsstätte Tidofeld zeigt erstmals Sonderausstellung mit Karikaturen

Dem Verein Gnadenkirche Tidofeld e.V. ist es erstmals gelungen, eine Sonderausstellung in seinen Räumen einzurichten: Auf Vermittlung von Dr. Hermann Queckenstedt, Leiter des katholischen Diözesanmuseums Osnabrück und Mitglied im Vorstand des Norder Vereins, konnten 15 große Bildtafeln mit Karikaturen „zur weihnachtlichen Flüchtlingsfrage“ installiert werden. Die bundesweit bekannten Karikaturisten Fritz Wolf und Gerhard Mester steuern die Bilder dazu bei. Sie beziehen sich alle auf das Thema „Weihnachten in unsrer Gesellschaft“ und setzen besonders die Flüchtlingserfahrungen der Herbergs-suchenden Eltern Jesu in Beziehung zur Gegenwart.

Über ein halbes Jahrhundert hat Fritz Wolf (1918 – 2001), Hauskarikaturist der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ), die große politische Bühne wie die kleinen menschlichen Schwächen augenzwinkernd mit der Feder kommentiert und dabei Lieblingsthemen rund ums Christkind entwickelt. Es sind die unerfüllten Sehnsüchte, die erstarrten Rituale rund um Wunschzettel und Weihnachtsgans oder der – zumindest früher – obligatorische Kirchgang, die den Osnabrücker Altmeister vor allem, aber nicht nur in den Bildern aus der Provinz herausforderten. Egal ob 1960, 1970, 1980, 1990 oder 2000 entstanden: Fritz Wolfs bildlich-humorvolle Anmerkungen zum Ideal familiärer Weihnachtsharmonie und der oft tatsächlichen Weihnachtstristesse dürften den meisten Betrachtern aus den eigenen vier Wänden nicht ganz unbekannt sein.

Selbst während des Zweiten Weltkriegs in Norwegen und Russland stationiert, verlor Fritz Wolf drei seiner Brüder an der Front. Dieser Schicksalsschlag machte den Militärzeichner später zu einem überzeugten Pazifisten, der gerade zu Weihnachten immer wieder die weltweite Bedrohung durch Krieg und Terror anprangerte. Überhaupt spiegeln sich beim Thema Weihnacht persönliche Erinnerungen Fritz Wolfs, die durch Kindheit und Jugend in einem zutiefst christlichen Elternhaus gespeist wurden und bis ins hohe Alter nachwirkten.

Gegenüber dieser eher subtilen Ironie wirkt Gerhard Mester (*1956) weit sozialkritischer und schärfer: Da zittert eine ängstliche Tochter aus begütertem Haus vor ihrer aggressiven Mutter, die ihr einen Wunschzettel abnötigt, obwohl sie doch bereits alles hat. Da begegnen die verdutzten Heiligen Drei Könige einem Anlageberater, der ihnen mit seinem „Future-Plus-Wachstums-Fonds“ die altbackenen Gaben Gold, Weihrauch und Myrrhe für das Christkind madig machen möchte. Da kann eine Wärmestube im Schatten finanzwirtschaftlicher Paläste ihren vielen bedürftigen Gästen nicht annähernd ausreichenden Raum bei ihrer „besinnlichen Weihnachtsfeier“ bieten. So wird der Satz des Lukas-Evangeliums „… denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge …“ zur bitteren weihnachtlichen Realität.

Wiederholt hat Gerhard Mester in den letzten Jahren die Herbergssuche Marias und Josefs thematisiert und so auch das Schicksal von Flüchtlingen beleuchtet. Während Fritz Wolf eher augenzwinkernd mit biblisch-christlichen Facetten spielt, setzt Gerhard Mester sie in beißende Kritik an einer oft menschenunwürdigen Wirklichkeit um. Die zuerst im Diözesanmuseum Osnabrück gezeigte Sonderausstellung kontrastiert seine Zeichnungen mit älteren Arbeiten Fritz Wolfs zur selben Thematik. Dabei erweist sich auf beklemmende Weise, wie wenig die Europäer beim Umgang mit Flüchtlingen in über einem Vierteljahrhundert dazugelernt haben.

Jammerschade! Wir haben keinen Stall! Sonst gerne!“ schwadroniert bei Gerhard Mester ein Besserverdiener an der Haustür, als er in sternenklarer, kalter Nacht Maria und Josef vor seiner Villa abweist, während Fritz Wolfs mit wenigen Habseligkeiten eingereister Flüchtling 1991 im „EG-Amt für Flüchtlingsfragen“ auf eine Riege nichtzuständiger Bürokraten trifft: „Bosnien, bearbeitet der Kollege nebenan!“ Für den selbst aus der Kirche ausgetretenen Ex-Katholiken Mester wird Papst Franziskus zum neuen, liebevoll gestalteten Hoffnungsträger, der „Barmherzigkeit“ zum zentralen christlichen Credo erhoben hat und dabei des Karikaturisten zeichnerische Sympathie erntet.

Die Ausstellung ist ab sofort in den Räumen der Dokumentationsstätte Gnadenkirche Tidofeld zu sehen. Der Eintritt von 3,00 Euro (Ermäßigte: 2,00 Euro) berechtigt auch zum Besuch der Dauerausstellung. Die Gnadenkirche Tidofeld, Donaustraße 12, ist von Donnerstag bis Sonntag 14.00 – 17.00 Uhr geöffnet. Gruppenbesuche sind auch an anderen Tagen, vormittags und abends nach Absprache möglich: Tel. 189760.

Auf dem FOTO laden (v.l.n.r.) Superintendent Dr. Helmut Kirschstein als Vorsitzender des Vereins Gnadenkirche Tidofeld e.V., die Geschäftsführerin Anna Jakobs und der Bundesfreiwilligendienstler Sven Bramste zur Sonderausstellung ein.