Hohe Auszeichnung für Ökumenischen Arbeitskreis

Berlin / Norden, 05. Februar 2016

"Vermittlung jüdischen Erbes": Almut Holler und Walter Demandt in Berlin geehrt

Hohe Auszeichnung für zwei Norder, „die sich ehrenamtlich dafür einsetzen, das jüdische Erbe an ihrem Wohnort zu bewahren, die Kontakte zu Überlebenden und Nachfahren pflegen und die sich um eine Nachhaltigkeit und Vermittlung des jüdischen Erbes an die nächste Generation kümmern“: Almut Holler, frühere Pastorin der evangelisch-lutherischen Ludgeri-Gemeinde in Norden, und Walter Demandt, pensionierter Lehrer des Ulrichsgymnasiums Norden, erhielten für ihren Einsatz für den Ökumenischen Arbeitskreis Synagogenweg Norden den „Obermayer German Jewish History Award“.

Walter Demandt, der sonst kaum zu Superlativen neigt, spricht in seiner ruhigen Art von einem „beeindruckenden Erlebnis“ – man glaubt es ihm gern. Nicht minder bewegt ist Almut Holler, die zweite Ausgezeichnete aus der Stadt Norden, von der Feierstunde im Berliner Abgeordnetenhaus: „Es tut gut, dass unsere Arbeit so viel Anerkennung von berufener Seite bekommt, auch über den lokalen Rahmen hinaus.“

Demandt und Holler sind zwei, die ihre Arbeit als Teil eines Teams sehen. Das Sprechen in der „Ich-Form“ fällt ihnen beinahe schwer. „Wir verstehen uns als Gruppe. Wir repräsentieren sie.“ Die Arbeitsgruppe wurde von Lina Gödeken gegründet. „Dies war mein erster Satz bei unserer Rede in Berlin“, sagt Demandt. Eine Rede, die die 73-Jährige und der 72-Jährige zusammen gehalten haben. Lina Gödeken hat das Buch „Rund um die Synagoge in Norden“ geschrieben. „Dies ist die Basis, auf die ich mich bei all meiner Arbeit beziehe“, sagt Holler.

Almut Holler führt mit Wissen über den jüdischen Friedhof, außerdem hat sich die Frau, die seit ihrem Theologiestudium eine Nähe zum Thema Judentum verspürt, in die Genealogien fast aller jüdischen Familien in Norden eingearbeitet: „Manches Mal erfahren die Nachfahren von mir Neues“, sagte sie bei der Preisverleihung in Berlin. Schon als junger Mensch hat sie sich für die historischen Zusammenhänge interessiert: „Dies begründet sich nach den ethischen Fragen und der Nähe unserer Generation zum Geschehen selbst.“

Walter Demandt, der der Freien evangelischen Gemeinde in Norden angehört, sieht eine besondere moralische Verantwortung als Deutscher nach dem Holocaust. Zudem: „Für mich besteht eine Verbundenheit meines Glaubens mit dem Judentum, in dem die Wurzeln des christlichen Glaubens liegen. Jesus war Jude.“ Demandt, dessen Frau Ruth ebenfalls in der Gruppe dabei ist, leitet seit Jahren die Sitzungen der Arbeitsgruppe, hält ebenso wie Holler Verbindungen zu Familien früherer Norder Juden.

Der außergewöhnlich hohe Einsatz der beiden Norder war zwei Personen aus Israel aufgefallen: Claudia de Levie und Jack de Lowe schlugen Almut Holler und Walter Demandt für den Preis vor. Ohne dass diese davon etwas ahnten: „Wir sind die einzigen Preisträger überhaupt, die von ihrer Nominierung nichts wussten“, sagt Almut Holler.

Die Vorfahren von Claudia de Levie und Jack de Lowe stammen aus Norden, waren von den Nationalsozialisten vertrieben worden. Claudia de Levie recherchierte und sammelte Unterlagen über die Arbeit der Arbeitsgruppe, sagen die Preisträger bewundernd. Warum? „Weil Almut Holler und Walter Demandt es sich zur Aufgabe gemacht haben, das einst deutsch-jüdische Zusammenleben in Norden zu ehren und für die Zukunft zu erhalten“, sagt Claudia de Levie. Es sei ihnen wichtig zu wissen, was in der Vergangenheit geschehen sei und eine Verbindung dazu herzustellen. „Außerdem ist es ihnen wichtig, den Nachfahren von Norder Juden die Stadt und ihre wichtigen Stätten zu zeigen, ihr Wissen weiterzugeben und ihnen ihre Vergangenheit zu erklären.“

Claudia de Levie kann sich ein Urteil erlauben: Sie war 2011 das erste Mal in Norden. Sie besuchte die Gräber ihrer Vorfahren, sah, wo diese lebten. Es folgten zwei weitere Besuche. Heute sagt sie: „Es geht Almut Holler und Walter Demandt darum, den vergessenen jüdischen Nachbarn Name und Gesicht zurückzugeben.“ Den Nachfahren könnte Almut Holler zudem Auskunft über deren Familiengeschichte geben. Ihr Projekt ermögliche es den Nachfahren der jüdischen Familien aus Norden, die heute verstreut in der ganzen Welt lebten, wieder die alten Freundschafts- und sogar Verwandtschaftskontakte zu knüpfen.