"Mein Calvin" - und unsere evangelische Ökumene

Norddeich, 12. Juni 2009

Der reformierte Kirchenpräsident Jann Schmidt referiert beim lutherischen KKT

Mit einem klaren Bekenntnis zur evangelischen Einheit unterstrich Kirchenpräsident Jann Schmidt sein ökumenisch orientiertes Referat zu Johannes Calvin.  Persönliche Perspektiven des evangelisch-reformierten Kirchenoberhaupts auf den Genfer Reformator standen im Mittelpunkt der lutherischen Kreissynode, die erstmals im Norddeicher Gemeindezentrum "Arche" tagte.

Der Vorsitzende des KKT, Ludwig Brüggemann, unterstrich bei seiner herzlichen Begrüßung die Stellung des reformierten Spitzentheologen, die mit derjenigen unserer Bischöfin zu vergleichen sei. Umso mehr freuten sich die Mitglieder des Norder Kirchenkreis-Parlaments, aus so berufenem Munde Grundzüge zu Person und Wirken des Genfer Reformators Johannes Calvin erklärt zu bekommen.

Calvin, dessen 500. Geburtstag die EKD in diesem Jahr besonders feiert, drohe - anders als die populäre Gestalt Martin Luthers - vollkommen "hinter seiner Sache" zu verschwinden. Dabei lohne es sich gerade um der evangelisch verstandenen Gemeinde willen, an Calvin zu erinnern, so der Kirchenpräsident: Luther denke mehr individuell vom einzelnen Glaubenden her, Calvin dagegen setze bei der Gemeinde als Organismus an. Während Luther sich auf die Hilfe zahlreicher Fürsten verlassen konnte (und schließlich eine "Fürsten-Reformation" anstieß), habe der häufig zur Flucht gezwungene Calvin eine "Reformation der Flüchtlinge" auf den Weg gebracht. So sehr er selbst die Leistung Martin Luthers schätze - "um aus der Reformation ein weltumspannendes Ereignis zu machen, bedurfte es eines Calvin".

Persönlich verbunden sieht sich Schmidt allein schon deshalb mit dem Genfer Reformator, weil dieser enge Beziehungen nach Ostfriesland pflegte, mit dem Emder Reformator Johannes a Lasco in Briefkontakt stand und seinen berühmten "Genfer Katechismus" ausgerechnet den Pastoren in Ostfriesland widmete. "Schon aus Lokalpatriotismus sollte uns Calvin interessieren!" Dagegen wertet der reformierte Kirchenpräsident gängige Vorwürfe gegen Calvin, der manchen als Verursacher des Kapitalismus, als übermäßig strenker Asket und als Befürworter einer unmenschlich harten Kirchenzucht gilt, als bloße "Klischees". "Wer an die 4.000 Predigten hinterlässt, kann nicht vor Fehldeutung gefeit sein!"

Die Erinnerung an Calvin sei wichtig, weil dadurch an das Evangelium als "Botschaft der Freiheit" erinnert werde. Es geht für Jann Schmidt jedenfalls nicht um "Heldenverehrung". Das Reformationsgedächtnis ziele nicht auf einen "heiligen Anfang", sondern wolle herausstellen, "was sich seit damals bewährt hat". "Unsere evangelischen Kirchen sind nicht Kirchen, die durch die Reformation entstanden sind, sondern Kirchen, die durch die Reformation gegangen sind", betonte der Kirchenpräsident.

Schließlich hob der Referent hervor, dass Johannes Calvin ausdrücklich keine Kirchenspaltung wollte: "Es ging ihm immer um die ökumenische Einheit." Was Calvin auf seinen Reisen nach Frankfurt und Regensburg vergeblich versucht habe, sei erst 1973 mit der "Leuenberger Konkordie" erreicht worden: die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft von reformierten und lutherischen Evangelischen. Viele der Ideen Calvins seien in dieses Einigungswerk eingeflossen. Auch der röm.-kath. Kirche gegenüber - so der Kirchenpräsident - habe zu gelten, was Calvin zur Vorbedingung für jedes ökumenische Gespräch erklärte: "Kirchen müssen sich gegenseitig als Kirche anerkennen - und sie müssen sich auf die Erkenntnis des Handelns Gottes berufen, nicht auf irgendwelche traditionellen Errungenschaften." Vor diesem Hintergrund steht der reformierte Kirchenpräsident der Bildung einer gemeinsamen evangelischen Kirche in Niedersachsen sehr positiv gegenüber: "Ich sehe den theologischen Dissens nicht mehr - und wir sind in einer Situation, in der wir unsere Kräfte bündeln müssen!"

Der Kirchenkreistag reagierte mit breiter Zustimmung und lang anhaltendem Beifall. Die weiteren Tagesordnungspunkte gerieten dengegenüber in den Hintergrund. Dabei ist es durchaus bemerkenswert, dass ein vierköpfiger Ausschuss zur Überleitung der Gemeinden des Brookmerlandes und der Leybucht in den Kirchenkreis Norden (1.1.2013) gebildet wurde; ihm gehören die KKV-Mitglieder Pree (Nesse), Bahlßen (Norddeich), Pastor Specht (Norden-Ludgeri) und Superintendent Dr. Kirschstein an. Wichtig war auch die Verabschiedung des Haushaltsplans für 2009 und 2010, der von Kirchenkreisamtsleiter Martin Nörder in seinen Grundzügen erläutert wurde. Er sieht Gesamtausgaben von 2.448.810 € bzw. 2.394.460 € vor. Nörder unterstrich, dass es durch den Innovationsfonds des Kirchenkreises und das große Engagement der Gemeinden möglich sei, ohne Stellenreduzierung auszukommen - es sei sogar gelungen, neue Stellenanteile zu schaffen. Entsprechend positiv fiel das Abstimmungsergebnis aus: Der Doppelhaushalt wurde einstimmig angenommen.