"Hauptsache gesund?" Keine Vergötzung, bitte!

Norden, 26. September 2014

"Männer-AG" des Sprengels erstmals in Norden - Landespastor Busse referiert

Norden, 26. September `14 - Auf Initiative des Kirchenkreis-Beauftragten für Männerarbeit, Folkert "Folly" Seeba, tagte die Männer-Arbeitsgemeinschaft des Sprengels Ostfriesland-Ems erstmals im Kirchenkreis Norden. Die Herbsttagung in den Räumen der Ludgerigemeinde stand unter dem Motto des Jahresthemas 2014: "Wunderbar gemacht (Psalm 139, 14) - Männer, Körper, Leben".

Rund 40 Männer aus allen Teilen des Sprengels waren der Einladung gefolgt. Den Großteil stellte allerdings die Männerarbeit im Kirchenkreis Norden. Superintendent Dr. Helmut Kirschstein begrüßte die Gäste von nah und fern und eröffnete den Abend mit einer Andacht im Hochchor der Ludgerikirche.

Nach einem Imbiss hatte der "Landespastor für Männerarbeit" das Wort. Henning Busse, ebenfalls zum ersten Mal in Norden, referierte zum Thema "Hauptsache gesund? Gesundheit als neue Religion". Es gelang ihm mit einleuchtenden Beispielen, die Parallelen religiöser Tradition und aktueller Gesundheitspolitik vorzuführen: Wenn die "Halbgötter in Weiß" zur Chef-Visite erschienen, erinnere das an religiöse Prozessionen. Die Trinität heiße jetzt "Vorsorge, Enthaltsamkeit und Sport", und wie in der Religion, werde auch der "Mythos um die Gesundheit" durch eine besondere, für den Un-eingeweihten "kryptisch" wirkende Sprache vermittelt. Während man sich in Karrikaturen längst über kirchliche Fehlentwicklungen und sogar über Mohammed lustig gemacht habe, vertrage das Thema Gesundheit keinen Humor. Wer etwa mit guten Gründen behauptet, es könne in der Medizin nicht alles Mögliche für alle getan werden, mache sich geradezu einer "Gotteslästerung" schuldig.

"Gesundheit" sei längst zu einer Art Zauberwort geworden und stehe für den Inbegriff von "Leben", so der leitende Geistliche der Männerarbeit. Sofern es sich um ein "höchstes Gut" handle, verbiete es sich tatsächlich, dieses Gut kritisch abzuwägen - und dieses Denkverbot komme einer ganzen Industrie zugute, die bestens vom unhinterfragbaren Gesundheits-Mythos leben könne. So erscheint Gesundheit als herstellbares Produkt, der eigene Körper als "Tuning-Objekt": "Wohlbefinden ist machbar", lautet die Botschaft.

Diese "Vergötzung der Gesundheit" habe höchst problematische Auswirkungen auf das Menschenbild unsrer Gesellschaft, so der Referent. Wenn nämlich der gesunde Mensch der "eigentliche" Mensch sei, existiere der Kranke gar nicht mehr "eigentlich" als Mensch. Außerdem sei der übermäßig auf "Gesundheit" fixierte Mensch so sehr auf sich selbst bezogen, dass sein Sozialverhalten durch diesen "egoistischen Zug" schwierig werden könne. Schließlich raube die "Volkserziehung zur Gesundheit" dem Einzelnen seine individuelle Freiheit: Wer sich für ein persönliches "Laster" entscheidet, wird von den gesundheitspolitisch "Rechtgläubigen" womöglich als "Ketzer" behandelt.

Demgegenüber plädierte Henning Busse für ein moderates Gesundheits-Verständnis, dass falsche Vollkommenheits-Ansprüche hinter sich lässt - etwa im Sinne Friedrich Nietzsches: "Gesundheit ist dasjenige Maß an Krankheit, das es mir noch erlaubt, meinen wesentlichen Beschäftigungen nachzugehen." In diesem Sinne sollte auch ein objektiv kranker Mensch sagen können: Ich bin zufrieden. Ich kann Glück empfinden und dankbar sein.

Die anschließende Diskussion zeigte, dass der Leiter der Männerarbeit in der Hannoverschen Landeskirche mit seinen Beobachtungen ins Schwarze getroffen hatte.