Solidarität gefordert: Sparzwang - Gegenmaßnahmen

Großheide, 31. März 2014

KKT: Drastische Einsparungen - funktionierendes Fundraising - Synodenantrag

Der Vorsitzende des Kirchenkreistages, Ludwig Brüggeman, hatte schon zu Beginn gesagt: „Das ist der Hauptpunkt des Tages“. Und in der Tat: Für die Abstimmung über den dritten Tagesordnung „Stellenplanung – Einsparung im Bereich ,Technische Dienste’“ benötigte der Kirchenkreistag des lutherischen Kirchenkreises Norden in seiner Sitzung am Montag in Großheide gut zwei Stunden. Dabei stellte keiner der Redner die Notwendigkeit von Einsparungen in Frage.

Zunächst befassten sich die Gewählten der 20 Kirchengemeinden mit Vertretungskosten. Diese sollen im laufenden Jahr auf 23.000 Euro gedeckelt werden, 2015 werden überhaupt keine Vertretungskosten mehr gezahlt. Diese Kosten fallen an bei Krankheit und Urlaub der Angestellten. Der Stellenplanungsausschuss unter der Leitung seines Vorsitzenden Pastor Marten Lensch hatte sich im Vorfeld eingehend mit dem Thema befasst. Lensch stellte dem KKT den Vorschlag des Stellenplanungsausschusses vor: „Vertretungskosten werden nur bis zu einer Summe von insgesamt 23.000 Euro gezahlt.“ Die Beträge, die eventuell darüber hinausgingen, müssten prozentual auf diejenigen Gemeinden aufgeteilt werden, in denen überhaupt Vertretungskosten anfallen. Im vergangenen Jahr wies nicht jede der 20 Gemeinden im Kirchenkreis diese Kosten auf.

Pastor Rolf Meyer-Engler (Hage) schlug dagegen für eine Gruppe aus dem KKT vor, die gesamte Summe von 23.000 Euro auf sämtliche Gemeindeglieder zu verteilen – ganz gleich, welche Vertretungskosten in der Gemeinde anfallen. Das mache 0,51 Euro pro Gemeindeglied. Vorteil sei, dass die Gemeinden dann eine Planungssicherheit hätten: „Dies Modell finde ich transparenter und gerechter.“ Marten Lensch fragte, inwieweit es sich dann noch um Vertretungskosten handele. Gleichzeitig gab er zu, bei dem Modell des Stellenplanungsausschusses wisse man erst am Ende des Jahres, wieviel die Gemeinden erhielten. Superintendent Dr. Helmut Kirschstein unterstützte den Antrag des Stellenplanungsausschusses: „Die Planungssicherheit ist zwar ein hohes Gut – aber bei Vertretungskosten werden wir diese nie bekommen, weil wir niemals im Voraus wissen, welcher Mitarbeiter womöglich erkrankt.“ Schließlich befürwortete der Kirchenkreistag in geheimer Abstimmung knapp den Beschlussvorschlag des Ausschusses.

Auch bei den „technischen Diensten“ (Küsterei, Sekretariat, Reinungsdienst) muss grundsätzlich gespart werden. Marten Lensch wies auf die Ausgangslage hin: „Der Haushalt weist ein Defizit auf, und der Bauhaushalt ist unterfinanziert.“ Den rund 70 Delegierten aus den 20 Kirchengemeinden präsentierte er den Vorschlag des Stellenplanungsausschusses: Die Zuweisungen werden budgetiert. Unabhängig von ihrer Größe, erhält jede Gemeinde ab 2015 einen Sockelbetrag von 6.000 Euro, außerdem eine Zuweisung von 8,19 Euro (2016 nur noch 7,06 Euro) pro Gemeindeglied. Auf diese Weise sollen im Jahr 2015 146.800 Euro eingespart werden, im Jahr 2016 noch einmal 50.000 Euro mehr.

Bevor es zur Abstimmung kam, nahm der finanzielle Anteil des Bereichs „Kirche im Tourismus“ großen Raum in der Diskussion ein. Jährlich besuchen über 930.000 Gäste die Region, der Kirchenkreis Norden erhält deshalb insbesondere für die Inseln Sonderzuweisungen von der Landeskirche. Doch die Ausgaben dafür übersteigen seit Jahren die Überweisungen aus Hannover. Gegenwärtig müssen 85.000 Euro zusätzlich von sämtlichen Gemeinden des Kirchenkreises aufgebracht werden, obwohl davon Mitarbeiter- und Pastorenstellen auf Juist, Norderney und Baltrum, außerdem in Norddeich und Norden bezahlt werden. „Unser Vorschlag: Ab 2017 werden die Ausgaben auf 240.900 Euro gesenkt“, so Marten Lensch. Man wolle erst im neuen Planungszeitraum ab 2017 etwas verändern, um nicht in den laufenden Stellenplan einzugreifen. Die besonders betroffenen Gemeinden sollten überdies Zeit genug bekommen, sich auf die weiteren Einsparungen einzustellen.

Ein Mitglied des KKT schlug dagegen vor, den Bereich „Kirche im Tourismus“ schon ab 2015 finanziell zu kappen, „damit mehr Geld für den Bereich ,technische Dienste’ vorhanden ist“. Der Großheider Pastor Dr. Andreas Lüder wunderte sich, warum dieses Ungleichgewicht dem Kirchenkreis Norden nicht früher aufgefallen sei. Er stellte außerdem den Antrag, den vorgesehenen Zuweisungsschlüssel für kleinere Gemeinden deutlich zu verschlechtern. Pastor Rolf Meyer-Engler (Hage) schlug vor, dass die drei mit hauptamtlichen Kirchenmusikern ausgestatteten Gemeinden (Juist, Norderney, Norden-Ludgeri) je 5000 Euro – Geld, das durch Konzerteinnahmen erwirtschaftet werde – an den Kirchenkreis überweisen: „Das hätte eine positive Signalwirkung.“ Pastor Peter Riesebeck (Leezdorf) beantragte, den Tagesordnungspunkt ganz und gar zu vertagen.

Dagegen klagte der Superintendent die Solidarität des gesamten Kirchenkreises mit den kleineren Gemeinden, aber auch mit den Insel- und Tourismus-Gemeinden ein. Andere Redner machten deutlich, dass größere Konzerte kaum Gewinn einbrächten, sondern eher auf Sonderzuweisungen aus Hannover angewiesen seien.

Alle drei Anträge wurden schließlich mit großer Mehrheit abgelehnt. Eine Zweidrittelmehrheit (40 : 19 : 2) fand dagegen die ursprüngliche Vorlage des Stellenplanungsausschusses. Nach zwei Jahren, in denen ein Rückgriff auf vorhandene Rücklagen nötig war,  wird der Kirchenkreis Norden dadurch ab 2015 wieder einen ausgeglichenen Haushalt aufweisen. In bescheidenem Umfang kann so auch der Bauhaushalt aufgestockt werden.

Über alle Kontroversen hinweg erhielt Pastor Marten Lensch als Vorsitzender des Stellenplanungsausschusses schließlich ein großes Dankeschön für seine ausgezeichnete Vorarbeit.

Im Anschluss an die Debatte zur Stellenplanung regte Superintendent Dr. Helmut Kirschstein dazu an, den Einsparzwängen positive Maßnahmen entgegenzusetzen. Im Kirchenkreis Norden existieren schon jetzt mindestens 15 Förderkreise, Fördervereine oder Stiftungs-Initiativen. Zu deren Vernetzung, aber auch zur gemeinsamen Entwicklung neuer Projekt-Ideen gab er die Einrichtung eines neuen „Arbeitskreises Fundraising“ bekannt, dessen Gründung der Kirchenkreisvorstand (KKV) einstimmig empfohlen hatte. Jede Gemeinde solle eine(n) Fundraising-Beauftragte(n) in diesen Arbeitskreis delegieren. Im November plane auch die Hannoversche Landeskirche erstmals einen speziellen Tag für Fördervereine und Förderkreise, um deren Fundraising-Bemühungen zu unterstützen.

Der Superintendent erhofft sich durch diese Initiative auch landeskirchliche Hilfe für das „Norder Modell“, mit dem der Kirchenkreis seit 2004 die finanziellen Bemühungen der Kirchengemeinden zum Erhalt oder gar zum Ausbau von Stellen unterstützt. „Für 2 Euro, die eine Gemeinde einwirbt, gibt der Kirchenkreis 1 Euro dazu.“ Diese Bonifizierung verdankt sich gemeinsamen Beschlüssen früherer Kirchenkreistage, deren Solidarität der Superintendent besonders hervorhob: Nur durch die Zinsabschöpfung der gemeinsamen Rücklagen sei die Einrichtung eines eigenen „Innovationsfonds“ möglich gewesen. Insgesamt hätten seither 17 der 20 Gemeinden des Kirchenkreises unmittelbar davon profitiert. Pfarrstellen in Dornum/Resterhafe, in Berumerfehn und auf Baltrum seien ebenso teil-finanziert worden, wie die des Krankenhausseelsorgers, eines zusätzlichen Pastors für Großheide, des Kantors auf Juist und der Diakonin in der Norder Ludgerigemeinde. Auch der Kreisjugendwart habe ebenso davon profitiert wie die Einrichtung nebenamtlicher Stellen für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, mit musikalischen Gruppen und weiterer Mitarbeiter in Arle, Hage, Ludgeri und auf Norderney. Darüber hinaus werden aus diesem Fonds musikalische Aktivitäten in weiteren Gemeinden unterstützt, nämlich Süderneuland, Norddeich, Leybucht, Osteel, Norden-Andreas und Rechtsupweg.

Der Kirchenkreis Norden habe damit landeskirchenweit eine besondere „Politik“ betrieben – „gegen den Trend“. Diese erfolgreichen Bemühungen habe jüngst auch die Landeskirche anerkannt: Für den Planungszeitraum 2013 bis 2016 unterstützt Hannover den Innovationsfonds des Kirchenkreises durch eine jährliche Einzahlung von 55.000 Euro. So werde der Fonds trotz fortgesetzter Auszahlungen weiter anwachsen und Ende 2016 etwa 300.000 Euro beinhalten, die bei Bedarf auch neuen Initiativen zur Verfügung stehen.

Um angesichts positiver Konjunkturdaten die Belastungen durch ständig neue Sparrunden zu stoppen, ein „Innehalten und Durchatmen“ zu ermöglichen, beschloss der Kirchenkreistag schließlich einen Antrag an die Synode der Hannoverschen Landeskirche. Darin wird für die Jahre 2017 bis 2020 ein „Moratorium“ gefordert: „keine weiteren Kürzungen bei den Zuweisungen an die Kirchenkreise“. Der Beschluss erging einstimmig.