Friedensverantwortung - 100 Jahre nach "1914"

Norden, 15. November 2014

Tag für Kirchenvorstände und KKT-Delegierte mit hochkarätigem Programm

Auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017 hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) 2014 zum Themenjahr "Reformation und Politik" erklärt. Dies war Grundlage für den Kirchenkreis in Norden, Denkanstöße aufzunehmen und den zweiten Tag für Kirchenvorstände und Kirchenkreistags-Delegierte einzuberufen. Rund 50 Verantwortungsträger hatten sich dazu in den Räumen des Ulrichsgymnasiums eingefunden. Mit einer intensiven Podiumsdiskussion in der Aula ging die Zusammenkunft am Sonnabendnachmittag zu Ende.

"Wir haben den guten Zuspruch aufgenommen, den wir bereits im vergangenen Jahr mit dem "Tag der Orientierung für Kirchenvorstände hatten", erklärte Superintendent Dr. Helmut Kirschstein. Er und Pastor Marten Lensch hatten für das Treffen ein umfangreiches Programm auf die Beine gestellt. In acht Workshops, zwei Vorträgen und in der Podiumsdiskussion wurden Fragen und Möglichkeiten, Thesen und Gedanken erörtert, die das Grundthema "Frieden in seinem umfassenden biblischen Sinne" und Verantwortungsübernahme für den Frieden 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg beinhalteten.

Mit Überlegungen zum Verhältnis von christlichem Glauben und Politik unter dem Motto "Nicht herrschen, sondern dienen" referierte Professor Dr. Ulrike Link-Wieczorek von der Universität Oldenburg. Das Thema "Die Kirche und der Erste Weltkrieg" wurde von Dr. Martin Lätzel, Lehrbeauftragter der Universität Kiel, beleuchtet. Kreisjugenddiakon Markus Steuer war es wichtig, in seinem Workshop Antworten auf Fragen zu bekommen, wie man die jungen Menschen heute für den Weg des Friedens begeistern kann. Marten Lensch bestellte mit seinem Workshop "Gerechter Krieg, gerechter Frieden? Können wir als Christen hinter militärischen Einsätzen stehen?" schon das Feld für die anschließende Podiumsdiskussion.

Die beiden Bundestagsabgeordneten Johann Saathoff (SPD) aus Pewsum und Heiko Schmelzle (CDU) aus Norden, der ehemalige Bundestagsabgeordnete Thilo Hoppe (Grüne) aus Aurich und Missionsdirektor Michael Thiel wurden von Moderatorin Claudia de Boer (Kirchenvorsteherin in Norddeich) um klare Stellungnahmen gebeten. Zum Oberthema "Verantwortung für den Frieden und Waffenlieferung an die Kurden" hielt Saathoff es für richtig, dass der' Bundestag sich damit beschäftigt. Gut sei es gewesen, dass kein Fraktionszwang ausgeübt wurde. Schwerpunkt der politischen Diskussion sei natürlich gewesen, dass man vorrangig humanitäre Hilfe leistet. Waffenlieferungen sieht Saathoff dann als notwendig an, wenn es um die Bekämpfung von Gruppen geht, die sich an keinerlei Rechtsstaatlichkeit halten. Allerdings schränkte er die Auswahl der Waffen erheblich ein.

Schmelzle hatte sich als einziger Abgeordneter der CDU/CSU in der Abstimmung zu Waffenlieferungen enthalten. Es sei ihm schwer gefallen, aber als Christ sei er uneingeschränkt für das Humanitäre. Eine Lieferung panzerbrechender Waffen sei für ihn nicht tragbar. Hilfe zur Selbsthilfe allerdings könne er sich vorstellen. Hoppe, der heute für „Brot für die Welt" arbeitet, hätte gegen Waffenlieferungen gestimmt, wie er sagte. „Sie sind ein symbolpolitischer Akt, der mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden ist. Beispielsweise könnte es bei Rückeroberungen - wie aus anderen Ländern bekannt - mit den von uns gelieferten Waffen durchaus zu Racheakten oder Vergeltungsmaßnahmen kommen", befürchtete er und sprach sich stattdessen für den Einsatz von Blauhelmen aus. Die Einrichtung einer UN-Schutzzone, die dann aber auch mit Waffengewalt gegen eventuelle IS-Angriffe zu verteidigen wäre, sei das Gebot der Stunde.

Er könne weder mit Ja oder Nein antworten, sagte der neue Hermannsburger Missionsdirektor Michael Thiel. Heutzutage könnten Terroristen Waffen überall auf der Welt kaufen. Kurzfristige Lösungen seien nicht zu finden. Wichtig sei es, durch humanitäre Unterstützung – nicht zuletzt über Partnerkirchen und -gemeinden – die Zustände in von Bürgerkriegen bedrohten Ländern umfassend zu verbessern und Menschen zum Bleiben in ihrer angestammten Heimat zu ermutigen.

Auf das Flüchtlingsproblem angesprochen, waren sich alle in der Diskussionsrunde einig: "Da können wir noch mehr leisten. Unsere Kapazitäten sind längst nicht erreicht." Einig waren sich auch die kirchlich engagierten Zuhörerinnen und Zuhörer: Eine derart intensive, faire und an Sachfragen orientierte Diskussion hatte man so kaum jemals gehört. "Es ist gut, unsere Politiker einmal als engagierte Menschen zu erleben, die sich nach bestem Wissen und Gewissen für den Frieden einsetzen", lautete die einhellige Meinung.

Unter dankbarer Verwendung eines Artikels der OZ