Der Bischof. Der Psalter. Das Meer.

Norddeich, 29. Juni 2013

Landesbischof würdigt "Norddeicher Psalter" - Vortrag über Meer und Religion

Eine "tolle Aktion" brachte Landesbischof Ralf Meister nach Norddeich: Schon vor anderthalb Jahren hatte der führende Geistliche der Hannoverschen Landeskirche seine Mitarbeit am "Norddeicher Psalter" zugesagt - und kam nun wie versprochen zur Vorstellung des Bibelprojekts in die Norddeicher "Arche". Und weil er schon einmal da war, hielt Meister auch gleich einen Vortrag im Rahmen der Ökumenischen Urlauberseelsorge: "Das Meer und die Religion". Etwa hundert BesucherInnen verfolgten gebannt seine "Theologischen Anmerkungen".

Dem Norddeicher Ortspastor Marten Lensch war die Freude ins Gesicht geschrieben, als er den hohen Gast herzlich begrüßte. Offensichtlich hatte es großer Mühen bedurft, um alle 150 Psalmen der Bibel von Hand abschreiben zu lassen. Wenige Schreiber bearbeiteten mehr als einen Psalm. Den längsten (Psalm 119) "durften meine Konfirmanden zu mehreren in der Gruppe abschreiben", wie Lensch verschmitzt zum Gelächter des Auditoriums mitteilte. Viele Einheimische, aber auch auswärtige Gäste beteiligten sich - und eben der Landesbischof. Ralf Meister hatte Psalm 86 übernommen, "weil mein Konfirmationsspruch darin enthalten ist". Den habe er durch etwas größere Schrift hervorgehoben, verriet der Landesbischof.

Nachlesen können das nun alle Interessierten: Die Kirchengemeinde hat zunächst 200 Exemplare des "Norddeicher Psalters" drucken lassen und gibt ihn gegen eine Schutzgebühr von 10,- Euro ab. Das Original liegt ab sofort in der Norddeicher "Arche" aus.

Auch im "Norddeicher Psalter" enthalten ist eine Notenschrift zu Psalm 23: Chorleiter Tai-Lee Park hatte es sich nicht nehmen lassen, aus Anlass des Bibelprojekts drei Psalmen ganz neu vierstimmig zu vertonen. Alle drei (Psalm 23, Psalm 117, Psalm 134) führte sein Chor "Soli Deo Gloria" im Rahmen der Veranstaltung auf - gewohnt kraftvoll und dynamisch, was auch den Landesbischof sichtlich beeindruckte.

Weiterer Schwerpunkt des Abends war schließlich der angekündigte Vortrag: "Eigentlich kann man so einen Vortrag über das Meer nur hier in der Arche richtig halten", vermutete Ralf Meister. Mit sehr persönlichen Empfindungen eröffnete er seine "theologischen Anmerkungen", die sich als Strauß weiser Einsichten und literarischer Gelehrsamkeit entpuppten. Das Meer lasse den Einzelnen - trotz aller Fülle am Badestrand - seine Einsamkeit erleben. Es sei einer der bedeutenden "Ewigkeitsräume" dieser Erde. Am Meer sei etwas von dem zu spüren, was in der Bibel und in den Kirchen direkt angesprochen werde. In der Bibel spiele das Meer - trotz Noah- und Jona-Erzählung - eine erstaunlich nachgeordnete Rolle. Die Sintfluterzählung mache sich historisch an der Erfahrung von Fluss-Überschwemmungen fest: Nil, Euphrat und Tigris ließen die Menschen schon damals Erfahrungen machen, wie sie sich in Deutschland aktuell mit dem Elbehochwasser verbinden. Wo das Meer unmittelbar angesprochen wird, beklagt man in der Bibel seine Bedrohlichkeit - weshalb es in der Offenbarung des Johannes auch heiße, dass es in der neuen Welt Gottes kein Meer mehr gäbe ("was mir persönlich sehr leid täte"). Bedeutsamer als das Meer sei im Neuen Testament aber der See Genezareth - dabei sei der doch von seiner Größe her eher "eine Mischung aus Steinhuder Meer und Maschsee"...

Religiöse Aspekte der Meeres-Erfahrungen zeigten sich vor allem in der Literatur: Hier schlug der Landesbischof einen Bogen von Homer ("Odyssee") über Herman Melville ("Moby Dick") zu Thomas Mann ("Der Tod in Venedig"), um schließlich ausführlicher über "das" Buch zum Meer schlechthin nachzudenken: Ernest Hemingways "Der alte Mann und das Meer". Wie Ralf Meister anhand ausgesuchter Zitate verdeutlichte, dass Hemingway hier trotz seines angeblichen Atheismus und desaströsen Lebenswandels sein tief religiöses Ringen präsentiere: das war beeindruckend und überzeugend.

In der anschließenden Diskussion konnte der Landesbischof klarstellen, dass entsprechende Erfahrungen durchaus auch in anderen "Ewigkeitsräumen" zu machen seien: etwa im Gebirge und in der Wüste. Auch hier sei der Mensch ganz besonders demjenigen ausgesetzt, was größer ist als er selbst. "Wie lange es Gott gibt?" Diese provozierende Frage war für ihn nicht schwer zu beantworten: Nach biblischer Einsicht steht Gott vor aller menschlichen Erfahrung - und selbst einsichtigen Naturwissenschaftlern sei klar, dass es ein göttliches Geheimnis vor dem anzunehmenden "Urknall" gebe.