Zukunft des Pastors als "Bene-Gaga"?

Juist, 05. Juni 2013

Pfarrkonvent des Kirchenkreises auf Juist: Plädoyer für "pastorale Lebenskunst"

Wie ist die Situation, und wohin geht die Reise? Dem Pfarrkonvent des Kirchenkreises Norden ging es auf Juist um´s Ganze: Im Blick auf den eigenen Beruf gehörten Gegenwartsanalyse und Zukunftsvision zusammen. Unter der Leitung des Superintendenten hatten sich 18 Pastorinnen und Pastoren einen Tag lang Zeit genommen, um die verschiedensten Aspekte zu erörtern: "Pastor/Pastorin sein - heute und morgen. Situation - Motivation - Perspektive" lautete das Thema.

Als kompetente Referentin hatte man Oberkirchenrätin Gabriele Ahnert-Sundermann eingeladen: Sie betreut im Landeskirchenamt Hannover die Sprengel Stade, Osnabrück und Ostfriesland-Ems in Sachen Personalpolitik. Ahnert-Sundermann schlug einen weiten Bogen: von pastoraltheologischen Aspekten (Isolde Karle: "Der Pfarrberuf als Profession") über die zu erwartende Entwicklung der Pfarrstellen in der Hannoverschen Landeskirche bis hin zu den Kernfragen pastoraler Herausforderungen in Gegenwart und Zukunft.

Eines scheint sicher: In Kürze werden sehr viele Gemeinden ihre Pfarrstelle nicht mehr besetzen können. Und das liegt nicht am mangelnden Geld - es fehlt schlicht an Nachwuchs. Aktuelle Berechnungen gehen davon aus, dass im Jahre 2030 nur noch etwa 800 Pastorinnen und Pastoren im Bereich unsrer Landeskirche arbeiten - derzeit sind es noch 1.800.

Ein ganze Reihe gesellschaftlicher und beruflicher Beobachtungen machten deutlich, dass es verschiedene Gründe für diese katastrophale Pfarrstellen-Entwicklung gibt. Die Referentin skizzierte ein ganzes Bündel von Maßnahmen, um den Pfarrberuf wieder attraktiver zu machen. Dabei versucht die Landeskirche nicht nur neue Wege in der Nachwuchswerbung, sondern bemüht sich auch um Entlastung für die aktive Pfarrerschaft, nicht zuletzt im Blick auf Pfarrstellen im ländlichen Raum und die Generation 55+.

Eine Arbeitseinheit veranlasste die Pastorinnen und Pastoren, ihren eigenen Blick auf gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen zu schärfen: In Kleingruppen entwickelte man die idealtypischen Eigenschaften für das "Kerngeschäft" pastoraler Arbeit: Pastor und Pastorin sollten in der Seelsorge "authentisch, zugewandt, kreativ" sein, in der Gemeindeleitung "überblickend, kommunikativ, begeisternd", im (Konfirmanden-)Unterricht "kompetent, offen, authentisch" und in der Gottesdienst-Gestaltung "im besten Sinne fromm, theologisch gebildet, lebendig".

Diesen Eigenschaften und Aufgabenfeldern ordneten die Arbeitsgruppen Personen des öffentlichen Lebens zu - ein teils skurriler Verfremdungs-Effekt! Denn für den Bereich Gemeideleitung leuchteten der Gruppe Joachim Gauck und Handball-Nationaltrainer Heiner Brandt ein, für die Seelsorge neben Margot Käßmann auch Thomas Gottschalk und Hape Kerkelink, für den Gottesdienst Eckhard von Hirschhausen und Kathrin Göring-Eckhard - und für den "kompetenten, offenen und authentischen" Konfirmanden-Unterricht reichte die Spannweite von Angela Merkel über Barbara Schöneberger bis zu Johannes Rau, oder auch vom Popstar Lady Gaga bis zu Benedikt XVI. Zusammenfassung zum Gelächter der versammelten Pfarrerschaft: Der Pastor der Zukunft sei also ein "Bene-Gaga"...

Tatsächlich sind die Herausforderungen vielfältig, die aktuellen Berufsbelastungen immens. Gabriele Ahnert-Sundermann plädierte für eine neu zu entwickelnde "pastorale Lebenskunst". Dazu gehörten "Humor, Gelassenheit und Demut": "Ich bin als Pastor oder Pastorin nicht der Nabel der Welt - ich lebe nicht von dem, was ich leiste, sondern von dem, was mir zugute kommt."

Ob mit dieser Grundeinstellung dem allenthalben drohenden Burnout zu wehren ist? "Vor der Krankheit kommt die Krise." Und es sei sehr wahrscheinlich, dass jeder und jede im Verlauf von etwa 35 Berufsjahren einmal in eine solche Krise gerate.

Die Referentin zeigte drei Stress-Faktoren auf, die allerdings nur teilweise zu beeinflussen seien: Gegen Arbeitsverdichtung und Isolation empfahl sie den kollegialen Austausch. Verdächtig sei es schon, wenn ein Pastor außerhalb des kirchlichen Zirkels keinerlei Kapazitäten mehr für Anderes frei hätte. Aufmerksamkeit und ehrliche Wahrnehmung der eigenen Situation könne helfen, rechtzeitig gegenzusteuern.

Schwieriger sei es wohl, dem pastoralen Relevanzverlust zu begegnen: Ein Pastor, der seit vielen Jahren als Bordseelsorger arbeitete, habe ihr berichtet, dass er anfangs stets am Kapitänstisch Platz nehmen durfte - zuletzt aber nur noch am Tisch der "Gaukler und Kommödianten"...

Und schließlich führe die Diffusion der Aufgaben im Pfarrberuf zu einem "Überforderungsstolz", der wohl verständlich sei, aber auf die Dauer krank mache: "Ich bin als Pastor für all und jedes zuständig und ziehe ausgerechnet aus dieser permanenten Überforderung mein Selbstwertgefühl - das kann nicht gutgehen."

Angesichts dieser Stressfaktoren sei es umso wichtiger, sich eigene Energiequellen gegen die drohende Erschöpfung zu erhalten oder wieder neu zu schaffen. Äußerst hilfreich sei ein "Ort des Vertrauens" im kollegialen Austausch, wo Ehrlichkeit zähle und man darauf verzichten könne, einander etwas vorzumachen.

Der Pfarrkonvent auf Juist könnte sich als weiterer Schritt auf dem Weg zu einem solchen "Vertrauensort" erweisen. Er endete harmonisch mit einer gemeinsamen Taizé-Andacht in der Juister Inselkirche.