"Wir haben eine Hoffnung!"

Norden, 07. November 2021

Visitationsgottesdienst in der Andreaskirche: Gemeindeaufbau als "Friedensstiftung"

"Wir haben eine Hoffnung!" Das betonte Pastor Michael Rückleben in seiner Predigt zum Visitationsgottesdienst. Und traf damit den Grundton in der gut besetzten Andreaskirche, denn nicht nur die Predigt, auch der erste Auftritt des Andreas-Chors nach anderthalb Jahren Corona-Pause stimmte hoffnungsvoll. Mit deutsch gesungenen Gospels ("It´s me o Lord" und das berühmte "Halleluja" von Leonhard Cohen), die den spontanen Applaus der versammelten Gemeinde herausforderten, bekam diese Hoffnung einen mitreißenden Klang. Chorleiterin Natalia Schilref gelang es aber auch, mit ihrem Akkordeon  für Stimmung zu sorgen: "Heute mal wieder schwere See", der vermutlich einzige Shanty in deutschen Gesangbüchern, brachte gleich mit dem ersten Lied besonderen Schwung in den sonnendurchfluteten Raum. Und ihr zügiges Tempo beim Orgelspiel tat ein Übriges.

Dabei malte Michael Rückleben Psalm 85 zunächst in düsteren Farben aus: Klimakatastrophe und Pandemie, Mikroplastik und globale Ungerechtigkeiten, Zerwürfnisse zwischen Staaten wie in der Nachbarschaft, der Hunger nach "Innovationen, Reisen, Technik, Luxus": all das stimmte ihn so pessimistisch wie den Psalmbeter die von ihm erlebte Gefahrenlage vor zweieinhalb tausend Jahren. Wie dieser Beter sich dann eben doch zur Hoffnung durchringt, indem er sich der Nähe Gottes vergewissert - "doch ist ja Seine Hilfe nah" - vollzog der Prediger die trotzige Reaktion der Bibel nach. Und klinkte sich in die "Vision des Beters" ein: Hoffnung sei eine "gewaltige Kraft", im Vertrauen auf Jesus Christus werde sie entfesselt, und eben diese Hoffnung mache den entscheidenden Unterschied: Gottes Friedenszusage schenke die Kraft, dem Augenschein entgegen zu handeln und das Unmögliche möglich zu machen.

Unabgesprochen nahm Superintendent Dr. Helmut Kirschstein diesen Gedanken in seiner Visitationsansprache auf - und spann den Faden weiter, über die individuelle Gestaltungskraft des Einzelnen hinaus zur Bedeutung von Kirche und Gemeinde für den gesellschaftlichen Friedensprozess: Im Sinne Jesu sei jedes christliche Gemeindehaus ein Zentrum mitmenschlicher Friedfertigkeit. Gemeindeaufbau sei nichts Anderes als eine "Friedensbewegung": Was in der Andreasgemeinde durch Horizonterweiterung, Förderung der Kritikfähigkeit und Vermittlung elementarer Werte geschehe, mache dieses kirchliche Zentrum  zur "reinsten Friedensstiftung". Konkret spannte Kirschstein den Bogen vom "Seelenfrieden" berührender Taizé-Andachten bis zu einer Gemeinwesenarbeit, die spielerisch Kinder von Migranten und Ostfriesen zusammenbringe: "Selig sind, die Frieden stiften..."

Die Liturgie gestalteten Pastorin Christiane Elster, Kirchenvorsteherin Janna Schoen und eine Konfirmandin zugewandt und freundlich - und stimmten die versammelte Gemeinde auch dadurch auf "Hoffnung" ein. Hoffnungsvoll dann auch das Miteinander vieler Dutzend Menschen, die den großen Kirchsaal im Anschluss an den Gottesdienst in einen Gemeindesaal verwandelten und bei Tee, Gebäck und intensivem Gedankenaustausch ihre Gemeinschaft teilten - endlich wieder!