Gnadenkirche Tidofeld: "Dokumentationsstätte 2.0"

Norden-Tidofeld, 08. Mai 2021

Dauerausstellung für mehr als 36.000 Euro modernisiert - Minister bestaunt das Ergebnis

Insgesamt 55 neue Ausstellungstexte, neue Hörmuscheln statt alter Kopfhörer und moderne Touchscreen – in den vergangenen Wochen und Monaten hat sich einiges getan in der Gnadenkirche Tidofeld. Doch so eine Umrüstung kostet Geld. Gut also, dass die Norder Gedenkstätte bereits im vergangenen Jahr eine Förderung durch das Land Niedersachsen in Höhe von 27 600 Euro zugesagt bekommen hatte. Den Förderbescheid überreichte Kultur- und Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) allerdings coronabedingt erst gestern. Dafür ließ es sich der Unionspolitiker nicht nehmen, persönlich in Norden vorbeizuschauen und zwei Jahre nach seinem ersten Besuch einen erneuten Blick in die modernisierte Ausstellung zu werfen.

„Ich bin von Haus aus Historiker“, sagte Thümler im Pressegespräch. In seiner Zeit an der Universität sei einer seiner Schwerpunkte die osteuropäische Geschichte gewesen, erklärte er sein persönliches Interesse für die Dauerausstellung zur Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen in Niedersachsen und Nordwestdeutschland. „Es ist wichtig, dass wir solche Orte erhalten und sie erfahrbar machen“, betonte Thümler. „Wir müssen die Erinnerung wachhalten und aktiv leben.“

Beim Thema Flucht und Vertreibung blickten nach wie vor viele vor allem auf das Grenzdurchgangslager Friedland im Süden Niedersachsens, die Bedeutung Ostfrieslands und gerade Tidofelds in diesem Zusammenhang seien hingegen „leider in Vergessenheit geraten“, bedauerte der Unionspolitiker. Dabei sei das Thema Flucht und Vertreibung noch heute aktuell. „Denn es ist nie ein Einzelschicksal, wenn wir nur auf das Mittelmeer schauen“, führte er aus.

Wie prägend Flucht und Vertreibung sein können, weiß auch Nordens Bürgermeister Heiko Schmelzle (CDU) nur zu gut. Sowohl seine Mutter als auch sein Vater hatten nach Ende des Zweiten Weltkriegs ihre Heimat verlassen. „Dieser Verlust der Heimat wird auch noch an die nächste Generation weitergegeben. Das hinterlässt eine Narbe auf der Familienseele“, beschrieb er seine ganz eigenen Erfahrungen. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Erlebnisgeneration nach und nach stirbt, sei ein Ort, um Migrationsgeschichte zu erleben so wichtig, findet das Stadtoberhaupt. „Ein Buch vermittelt zwar die Fakten, es ist aber nicht so erlebbar wie etwa die Interviews in der Ausstellung.“

Besagte Interviews sind ein elementarer Bestandteil der Dauerausstellung, weshalb die 14 Stationen durch die Landesförderung komplett erneuert werden konnten. „Ausgestattet sind die Medienstationen nun mit 24-Zoll-Touchmonitoren, Rasperry-Rechnereinheiten sowie jeweils zwei museumsüblichen Hörmuscheln aus eloxiertem Aluminium in Edelstahloptik“, erklärte der pädagogische Leiter der Einrichtung, Lennart Bohne. Der Vorsitzende des Gedenkstättenvereins, Dr. Helmut Kirschstein, sprach denn auch von einer Gnadenkirche 2.0, die einen „Schubs bekommen hat, um das Ganze voranzutreiben“.

Diesen Schubs hatten allerdings nicht allein die Fördermittel des Landes bewirkt, auch der Kirchenkreis und die Stadtwerke hatten zusammen 7200 Euro zugeschossen, um das Projekt zur Erneuerung der Ausstellung umzusetzen. „Bei keinem Projekt war es bislang so schwer, die Drittmittel einzuwerben“, berichtete Bohne. Schuld daran sei die Corona-Pandemie, durch die viele sonstige Spender sich zurückhaltend gezeigt hatten. Nachdem der Gedenkstättenleiter bei einem Kneipenbesuch einem alten Schulfreund sein Leid geklagt hatte, kam allerdings Schwung in die Sache. Die Stadtwerke sprangen als Geldgeber ein und zeigten sich bei der gestrigen Führung ebenfalls zufrieden mit dem Endergebnis. Die Gnadenkirche selbst steuerte zudem einen Eigenanteil von 2000 Euro bei.

Auf dem Erreichten ausruhen will sich die Dokumentationsstätte jedoch keineswegs und hat schon das nächste Großprojekt im Blick: die Erweiterung der Gnadenkirche um ein „Forum Boatpeople“, das insbesondere die Geschichte der in Norden aufgenommenen vietnamesischen Bootsflüchtlinge und ihre gelungene Integration dokumentieren soll. Eine wichtige Säule, um dieses Projekt umsetzen zu können, ist dabei bereits gesichert, wie Kirschstein freudig berichtete: Die Landeskirche in Hannover hatte erst kürzlich entschieden, die Dokumentationsstätte bis 2024 weiter als „Friedensort“ auszuzeichnen, was mit einer Förderung von 126 000 Euro einhergeht. Der Vereinsvorsitzende rechnet damit, dass Mitte des kommenden Jahres die Zusage für die erforderlichen Mittel für das mehr als drei Millionen Euro teure Projekt – es soll zu 50 Prozent vom Bund und je zu 25 Prozent aus Landes- und Drittmitteln finanziert werden – erfolgen könnte.