"Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch!"

Großheide, 23. Mai 2021

Auftakt zur Visitation in Großheide: erstmals in Pandemie-Zeiten, erstmals zu Pfingsten

Dankbarkeit und Nähe gezeigt: Trotz Einhaltung der Corona-Regeln erwies Pastor Dr. Andreas Lüder den ausscheidenden Friedhofsgärtnern Karl Iken (l.) und Jakob Erdmann (r.) großen Respekt - ihre Ehefrauen wurden mit Blumen bedankt.

Außergewöhnlicher Auftakt zur Visitation: Erstmals in Zeiten einer Pandemie, erstmals mit einem Gottesdienst zu Pfingsten wurde die Visitation in Großheide eröffnet. Ob wohl auch sonst erst "ganz viel Krise" passieren müsse, "um endlich einmal mit dem anzufangen, worauf es wirklich ankommt in der Christenheit", fragte Superintendent Dr. Helmut Kirschstein provozierend. Und machte deutlich, dass in allen gegenwärtigen Bemühungen zur Überwindung kirchlicher Krisen dem Vertrauen auf Gottes Geist höchste Priorität gebühre.

Unter Pandemie-Bedingungen hatten die Großheider Verantwortlichen tatsächlich einen erstaunlich vielfältigen und "geistreichen" Gottesdienst vorbereitet.Organist Helmut Erdmann spielte beschwingt, Sängerinnen trugen Pfingst-Choräle von der Empore vor, und Mitglieder des Gitarrenchors mit Gitarre und E-Bass belebten das Geschehen mit neuen geistlichen Liedern.

Durch die Straffung der Liturgie kam der Predigt umso größeres Gewicht zu. Pastor Dr. Andreas Lüder verband seine Ansprache mit einem flammenden Plädoyer für "altbekannte" biblische Geschichten, die "längst nicht mehr bekannt sind". Sein Rückgriff auf den österreichischen Schriftsteller Michael Köhlmeier, der die Erzählung vom "Turmbau zu Babel" gegenwartsnah lebendig werden lässt, seine Illustration des Baugeschehens durch das berühmte Bild Pieter Brueghels und seine Parallelisierung der Bedrohung altorientalischer Städte durch Seuchen und Viren mit der Corona-Pandemie unsrer Tage wirkten nicht nur kulturhistorisch interessant, sondern präsentierten das Gottesgeschehen der biblischen "Grundgeschichte" in überraschend frischer Relevanz. Damals wie heute "haben sich die Menschen verloren", wie es jüngst wieder die Ereignisse in Gaza und Jerusalem, aber auch bei antisemitischen Vorfällen in unserem Land gezeigt hätten. Umso wichtiger die tiefe biblische Erkenntnis, die sich anhand der Pfingstereignisse als Gegenerzählung zur Turmbau-Geschichte neu erweise: "Gott führt die Regie zum Besten der ganzen Menschheit."

Zum Besten der Kirchengemeinde gehört sicherlich die freundliche Zuwendung, mit der Dr. Lüder den Festgottesdienst zur Verabschiedung zweier verdienter Mitarbeiter nutzte: Jakob Erdmann und Karl Iken hatten vor vielen Jahren zusammen als Friedhofsgärtner begonnen und beschlossen ihr Engagement altersbedingt jetzt ebenfalls gemeinsam. In Anlehnung an Agende IV nahm Dr. Lüder die Aussegnung vor, überreichte beiden Mitarbeitern Geschenke in Verbindung zu deren Hobby - und bedankte sich mit Blumen auch bei den Ehefrauen, die den Einsatz ihrer Männer immer unterstützt hätten.

Insgesamt ließ dieser Gottesdienst den Aufbruch zur Überwindung der Pandemie spüren. Mit dem berühmten Zitat des Dichters Friedrich Höderlin unterstrich der Superintendent seine Hoffnung auf eine "geistreiche" Überwindung der gefährlichen Situation: "Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch." Gerade die Pandemie führe dazu, dass sich die Menschen wieder verstärkt darauf besinnen, "worauf es eigentlich ankommt im Leben". Der Lebensgeist breite sich aus, "jetzt erst recht", und die Kirchengemeinde biete so etwas wie einen Rettungsring in unhaltbarer Situation. So bedauerlich es sei, dass er bei dieser Visitation auf den Besuch von Gruppen, Kreisen und musikalischen Ereignissen verzichten müsse: In persönlichen Begegnungen, Beratungen und Gesprächen freue er sich auf den Geist, der alle miteinander erfülle und trage.