"Nicht nur Partner - Brüder und Schwestern!"

Norden / Berlin / Kampala / Gulu / Kitgum, 04. Dezember 2021

Junge Norder Gossner-Delegation in Uganda - Intensive Begegnungen, erfolgreiche Projekte

"Rollstühle für Kitgum": 17 von insgesamt 55 bereitgestellten Rollstühlen konnten unmittelbar übergeben werden - ein bewegender Höhepunkt der Delegationsreise in den Norden Ugandas

Ihr seid mehr als nur Partner – wir sind Brüder und Schwestern!“ So überschwenglich wurde die 13-köpfige Delegation des Kirchenkreises Norden und der Gossner Mission häufig in Uganda begrüßt. Unter Leitung von Superintendent Dr. Helmut Kirschstein, Vorsitzender des Norder Freundeskreises Uganda wie der Gossner Mission, reiste die Gruppe gut zweieinhalb Wochen durch das ostafrikanische Land. Der Schwerpunkt lag naturgemäß auf den Partnerdiözesen Gulu und Kitgum im Norden Ugandas. Corona-bedingt, war dies der erste Besuch seit drei Jahren. Der Pandemie zum Trotz, gab die Einführung des neuen Bischofs von Gulu den Anlass: Godfrey Loum wurde vor rund 10.000 Gläubigen feierlich „inthronisiert“, sein Vorgänger Johnson Gakumba, der auch schon von der Kanzel der Norder Ludgerikirche gepredigt hatte und dem Kirchenkreis über 10 Jahre verbunden war, wurde würdevoll verabschiedet.

Neben dem Vertreter des anglikanischen Bischofs von Bristol war der Norder Superintendent der einzige Weiße, der während des vierstündigen Gottesdienstes ein Grußwort beitragen konnte. Beim anschließenden Empfang nutzte Dr. Kirschstein die Möglichkeit, dem neuen Würdenträger original ostfriesische Boßelkugeln zu überreichen – verbunden mit der herzlichen Einladung zum sportlichen Wettkampf im Mai nächsten Jahres. Godfrey Loum nahm diese Einladung in den Kirchenkreis Norden freudig an. Zusammen mit Wilson Kitara, dem ebenfalls recht neuen Bischof von Kitgum, wird er eine 10-köpfige Delegation zusammenstellen. Für beide ist es der erste Besuch in Ostfriesland, ja in Deutschland überhaupt.

Auch für die allermeisten Mitglieder der Norder Gossner-Delegation war alles neu: 11 der 13 Reisenden besuchten Uganda zum ersten Mal. Dazu war diese Delegation so jung wie nie zuvor: Zwei 16-jährige Schülerinnen (UGN), eine 24-jährige Studentin (Norden/Hamburg) und ein 26-jähriger Arbeiter (Aurich-Walle) bestärkten die beiden 19-jährigen Gossner-Freiwilligen (Bochum / Hamburg), die – erst im August mit einem Gottesdienst in der Ludgerikirche von Norden ausgesandt – seit September im Land sind. Sie werden insgesamt ein Jahr lang an zwei Schulen in Gulu (Primary) und Kitgum (College) arbeiten und nutzten jetzt die Möglichkeit, Partner und Projekte über ihre unmittelbaren Einsatzorte hinaus kennenzulernen.

Um diese Einsatzorte persönlich in Augenschein zu nehmen, war erstmals auch der Jugend-Koordinator der Gossner Mission (36, Mainz) dabei. Ein junges Ehepaar (28 / 32) aus Limburg an der Lahn unterstrich die Verbindung des Norder Freundeskreises mit der Gossner Mission: Erst seit 2016 gehört „Uganda“ offiziell zu den Arbeitsfeldern des Missionswerks, der Norder Freundeskreis ist seither „der“ Uganda-Arbeitskreis der Gossner Mission. Junges Arbeitsfeld, junge Delegation: nur vier Reisende gehörten der Altersgruppe 50+ an, darunter ein Vertreter des Männerkreises Ludgeri und der langjährige Afrika-Koordinator Gossners, Dr. Volker Waffenschmidt (Berlin).

Durch die enge Verzahnung mit dem in Berlin ansässigen Missionswerk haben die Hilfs- und Finanzierungs-Möglichkeiten enorm zugenommen. So gehörte die Evaluation zahlreicher Projekte zu den wichtigsten Aufgaben des Besuchs. In der Diözese Gulu nahm die Delegation eine von Gossner geförderte Ausbildungs-Schreinerei in Augenschein, die trotz erheblicher Probleme der Berufsschule fortgeführt werden soll. - Erfreulicher das neue WASH-Projekt an der kirchlichen Grundschule, das die Wasserversorgung sichert, den Kindern Möglichkeiten zum Waschen und Duschen bietet. Bemerkenswert gut gelungen ist der Neubau eines großen Schlaftrakts, der auch armen Kindern aus weit entfernten Flüchtlingslagern den Schulbesuch ermöglicht. -

Erst im Sommer wurde rund um das Dorf Agung ein Pilotprojekt der Gossner Mission gestartet. Hier im Norden des Murchison-Falls-Nationalpark leiden die Menschen unter einer regelrechten Elefanten-Plage: Immer wieder kommt es zu Überfällen von Elefanten, die auf der Suche nach leicht erreichbarer Nahrung den Nationalpark verlassen und die Felder in der Umgebung heimsuchen. Sie zerstören die Ernte, reißen Vorratsgebäude ein – und trampeln jeden nieder, der sich ihnen in den Weg stellen will. Erst kürzlich war wieder ein Todesfall zu beklagen. Dank zahlreicher Spenden konnte die Gossner Mission hier ein Projekt beginnen, das nun Menschen und Natur schützt. Gemeinsam mit den örtlichen Kirchengemeinden und der Dorfbevölkerung wurde ein Plan für Sicherheit und Wohlstand entwickelt: Rund um die Felder wurden an vier Standorten Bienenvölker angesiedelt, die die Elefanten vertreiben sollen. Denn: Elefanten fürchten sich vor Bienenstichen. Die Bauern freuen sich auch auf Möglichkeiten der Honig-Produktion und hoffen außerdem, dass die Bienenhaltung zu besserer Bestäubung der Nutzpflanzen führt – und somit die Ernte-Erträge steigert. Die Delegation konnte sich vor Ort davon überzeugen, dass die meisten der Bienenstöcke bereits installiert wurden und eine Art Schutzgürtel bilden. Die zuständigen Dorf-Komitees, begleitet von ausgebildeten Rangers, hinterließen einen engagierten Eindruck. Bis Februar sollen sämtliche Bienenstöcke bevölkert sein. Die Farmer wünschen sich einen weiteren Ausbau der Schutz- und Einkommensmöglichkeiten – ein Wunsch, der bei den deutschen Partnern auf offene Ohren stieß.

In enger Kooperation mit dem Familienzentrum / Kindergarten Osteel ist Agung selbst Standort eines Kindergartens, der vollständig mit Gossner-Mitteln erbaut und zuletzt um einen neuen Trakt erweitert wurde – alles machte einen ausgezeichneten Eindruck. Im Zentrum des kirchlichen Geländes steht die All-Saints Kirche, die 2012 entscheidend mit Spenden aus Norden errichtet wurde und jetzt zum Mittelpunkt der weiteren Entwicklung wird. Denn der Reform-Kindergarten (hier werden keine Kinder mehr geschlagen) soll nun um eine entsprechende Grundschule samt Lehrer-Häusern ergänzt werden. Auch diese Pläne inspirierten die Delegation zu ersten Überlegungen weiterer Unterstützung.

Auch in der zweiten Partner-Diözese der anglikanischen Church of Uganda – in Kitgum, hoch im abgelegenen Norden – wurde das dortige WASH-Projekt besonders gelobt: Den Kindern und Jugendlichen der Y.Y.Okot-Mädchenschule werde durch neue Möglichkeiten der Hygiene geradezu ihre „Würde“ wiedergegeben, so die engagierte Schulleiterin Gladys Oyat. - Überaus herzlich auch der Empfang im ländlichen Paloga: Mit Musik und traditionellen Tänzen wurden die Gäste ins Dorf geleitet, für das schon seit vielen Jahren der Bau einer Berufsschule geplant wird. Durch das Zusammentreffen mit dem „Consultant“ vor Ort, der die Machbarkeitsstudie um entscheidende Fragen der Nachhaltigkeit erweitern wird, zeichnet sich eine hoffnungsvolle Perspektive für das ambitionierte Langzeitprojekt ab. - Zu den beklemmensten Begegnungen kam es in dem kleinen Ort Dye Oryang, der von der rätselhaften „Nodding Disease“ („Nickkrankheit“) geprägt ist. Zahlreiche Familien sind hier über viele Jahre wie gelähmt, weil sich die Eltern rund um die Uhr um ihre schwer erkrankten Kinder und Jugendlichen kümmern müssen, die in völlige Apathie verfallen und mental verkümmern. Mit der Health-Koordinatorin Stella wurden erste Überlegungen zur Einrichtung einer Art Tagespflege angestellt, um den dementiell Erkrankten fachliche Hilfe und ihren Betreuern die dringend nötige Entlastung zukommen zu lassen. - An einem anderen Ort ist es offenbar gelungen, ähnliche Probleme durch ein Selbsthilfeprogramm zu meistern: In Kilak Corner erlebte die Delegation ein stark engagiertes „Home-Care-Team“, dessen diakonischer Einsatz Hilfe in die Häuser bringt und bspw. HIV/AIDS-Erkrankten hilft. Hier wie an anderen Orten übergaben die Besucher eine erhebliche Spende zur finanziellen Unterstützung kleinerer Vorhaben. - Elementare diakonsiche Hilfe bringt das langjährige Projekt "Rollstühle für Kitgum", mit dem schon bisher 100 Menschen buchstäblich "aus dem Staub gehoben" wurden. Jetzt organiserte die Norder Gossner-Delegation 55 weitere Rollstühle, darunter 5 für Kinder. Im Beisein von Bischof Wilson Kitara konnten 17 Betroffene ihr Hilfsmittel unmittelbar in Empfang nehmen, bekamen ein Kreuz umgehängt und wurden im Sinne ganzheitlicher Unterstützung von den Delegationsmitgliedern gesegnet: ein berührender Höhepunkt der Reise. -  In Laguri, wo die Norder bereits vor Jahren den Grundstock zum Bau einer neuen Kirche gelegt hatten, zeigte sich weiterer Bedarf: Um das bereits eingedeckte, mit Fenstern und Türen versehene Gebäude nun endlich mit einem Fußboden zu versehen, die kahlen Backsteinwände zu verputzen und die nötige Innenausstattung zu beschaffen, übergaben die Norder einen namhaften Betrag, der voller Freude dankbar entgegengenommen wurde. Die Erfahrung lehrt, dass auch diese Kirche sich zu einem Zentrum der Hoffnung entwickelt, dessen Geist motivierend auf Gemeinde wie Dorfgesellschaft ausstrahlt.