Evangelische Beichte - aktueller denn je!

Norden, 10. März 2010

Philipp Elhaus (HkD) referiert in der Kirchenkreiskonferenz

"Die Beichte in evangelischer Perspektive" - ein sperriges Thema? Als die Norder Kirchenkreiskonferenz sich dieses Thema wählte, war dessen beklemmende Aktualität jedenfalls noch gar nicht abzusehen. Philipp Elhaus, ehemaliger Pastor von Norddeich und jetziger Leitender Referent für Missionarische Dienste im Haus kirchlicher Dienste (HkD), hob sogleich den Gegenwartsbezug hervor: Das öffentliche Schuldeingeständnis der Hannoverschen Landesbischöfin weise ebenso klassische Grundzüge der Beichte auf, wie die Missbrauchs-Vorwürfe gegen Amtsträger der katholischen Kirche nach Buße verlangen.

Neueste Veröffentlichungen des Nachrichtenmagazins SPIEGEL reißen einen noch größeren Horizont auf: Von "Sünde" könne man eigentlich nur im Gegenüber zu Gott sprechen - was aber passiert eigentlich, wenn eine ganze Gesellschaft mehr und mehr den Gottesbezug verliert? Welches Forum bleibt, um "Sünden" zu beichten, Schuld einzugestehen und Vergebung zu erlangen?

Pastor Elhaus wies auf ersatzweise Größen hin: Talkshows übernehmen die Funktion des Beichtstuhls, die mediale Öffentlichkeit als Ganze fungiert mit ihrem Urteil als priesterliche Instanz: Entweder wird die Absolution durch hämische Kommentare verweigert, oder aber durch positive Stellungnahmen - wie etwa nach dem Rücktritt von Margot Käßmann - öffentlich erteilt.

Ganz offensichtlich hat auch unsre gegenwärtige Gesellschaft Reue, Beichte und Sündenvergebung dringend nötig, so der Referent. Das klassische katholische Modell berge allerdings massive Gefahren, etwa durch die Versuchung zum Machtmissbrauch und zu einem geistlichen Masochismus. Um die Beichte für die evangelische Kirche in ihrer Breite neu zu gewinnen, sei die Orientierung an zentralen biblischen Inhalten grundlegend. Unter ständiger Besinnung auf Lukas 15 ("Der verlorene Sohn") entwickelte Elhaus ein Beichtverständnis, bei dem sich der Mensch im geschützten Raum (wie in den biblischen "Armen des Vaters") aus dem Vertrauen heraus öffne und einen neuen Zugang zu sich selbst und zu Gott gewinne.

Die intensive Diskussion der Pastoren- und Diakonenschaft im Kirchenkreis Norden unterstrich noch einmal die Notwendigkeit, die Beichte aus ihrer Rand-Existenz zu befreien und für das Zentrum evangelischer Gottesdienste wiederzugewinnen. Geht es im Kern doch niemals um ein bedrückendes Fixieren von Schuld, sondern um ein befreiendes Aufatmen im Sinne des Evangeliums - "dass du dir helfen und ein fröhliches Herz und Gewissen machen lässest", wie es Martin Luther zur Beichte in seinem Großen Katechismus wegweisend formuliert hat...