Wie "gerecht" kann eine Bibelübersetzung sein?

Norden, 10. November 2010

Kontroverse Diskussion: Kirchenkreiskonferenz zur "Bibel in gerechter Sprache"

Wie "gerecht" kann eine Bibelübersetzung sein? Oder noch grundsätzlicher: Wie kann eine Übersetzung der Bibel gerecht werden? Der junge Wissenschaftler Alexander Dölecke, Doktorand an der Universität Münster, hat sich diesen Fragen besonders gewidmet. Anlass dazu bietet die "Bibel in gerechter Sprache", deren hoher Anspruch den einen verdächtig, den anderen längst überfällig erscheint. Dölecke referierte dazu in der monatlichen Kirchenkreiskonferenz aller Pastorinnen und Pastoren, Diakoninnen und Diakone im Kirchenkreis Norden. Dem engagierten Referat folgte eine nicht minder intensive Diskussion.

Seit dem Herbst 2006 sorgt die neue Bibelübersetzung für großes Aufsehen -  nicht nur in der theologischen Wissenschaft, sondern auch in vielen Gemeinden und den Feuilletons großer deutschsprachiger Zeitungen. Die "in gerechter Sprache" von 52 Bibelwissenschaftlern formulierte Neuübersetzung des Alten und Neuen Testaments sieht sich dabei einer mehrdimensionalen Gerechtigkeitsperspektive verpflichtet: Neben dem Bemühen um eine stärkere Berücksichtigung der aktuellen sozialgeschichtlichen Forschungen und mit stetem Blick auf die auch sprachliche Gleichbehandlung von Mann und Frau geht es dabei auch um den christlich-jüdischen Dialog. Dies hat fundamentale Auswirkungen auf viele Texte der Bibel, vor allem aber auch auf die Wiedergabe der biblischen Rede von Gott.

Ob diese neue Übersetzung der für Juden und Christen heiligen Schrift allerdings dem biblischen Ausgangstext gerecht wird und ob sie gar für die Verwendung in Gottesdienst und Unterricht geeignet ist, bleibt jedenfalls höchst umstritten. Dölecke würdigte die gewollte Verfremdung des Altbekannten und konnte die typisch jüdische Ehrfurcht vor einer Festlegung des Gottesnamens als einen wichtigen Impuls der neuen Übersetzung deutlich machen. Auch dem Bemühen, den in traditionellen Übersetzungen häufig unter den "Brüdern" vereinnahmten Frauen sprachlich gerecht zu werden, konnten alle Anwesenden gerne folgen.

Problematischer erscheinen Ansätze, Jesus Christus selbst als einzigartigen "Sohn Gottes" durch die Übersetzung (etwa im Kolosserbrief) als "Kind Gottes" mit der (weiblich gedachten!) "Weisheit" zu identifizieren, die im alttestamentlichen Buch der Sprüche (Kap. 8) wie eine Tochter Gottes personifiziert wird. Auch der permanente Wechsel der Gottesbezeichnung zwischen männlichen und weiblichen Titulierungen ("Gott", "Ich-bin-da", "Die Ewige") erscheint verwirrend und fragwürdig. Viele Fragen blieben offen - und machten gerade so deutlich, dass Gottes Wort jede Anstrengung einer sinn-vollen Über-setzung in unterschiedlichste Milieus der Gegenwart wert ist.