Versöhnung statt Hass, aller Grausamkeit zum Trotz

Norden, 05. Juli 2010

Friedenskämpfer Altbischof Ochola (Kitgum) hält beeindruckenden Vortrag

Tiefschwarze Haut, blitzende Augen und ein engagierter Vortrag: Macleord Baker Ochola II, ehemaliger Bischof von Kitgum im Norden Ugandas, zog am Montagabend rund 70 Zuhörer in seinen Bann. Unter der Überschrift „The Situation of War, Human Catastrophe and the long Road to Reconciliation and durable Peace“ („Krieg, menschliche Katastrophe und der lange Weg zu Versöhnung und dauerhaftem Frieden“) entwickelte der Kirchenmann aus dem Norden Ugandas Perspektiven, die er unter anderem auch schon auf internationalen Konferenzen in England und den USA präsentiert hatte. Dabei leistete Ingrun Massanek als Simultan-Übersetzerin Schwerstarbeit und trug entscheidend zum Verständnis der Nuancen bei.

Von der Welt lange Zeit „übersehen“, tobt im Norden Ugandas seit Mitte der 80er Jahre ein Bürgerkrieg. Tatsächlich handele es sich um einen Völkermord, wie der Altbischof glaubhaft versicherte: Zehntausende von Menschen seien umgebracht worden, Millionen seien thraumatisiert. Die Schuld daran gab Ochola beiden Konfliktparteien: Die berüchtigte „Lord´s Resistance Army“ (LRA) unter der Führung des mit internationalem Haftbefehl gesuchten Rebellen Joseph Kony sei für ihre unglaubliche Brutalität bekannt; über 66.000 Kinder seien aus ihren Heimatdörfern entführt worden. Sie wurden als Kindersoldaten eingesetzt und mit vorgehaltener Waffe zum Töten gezwungen, die Mädchen als Sexsklavinnen gehalten. Aber auch die Regierungstruppen seien in der Wahl ihrer Mittel alles andere als zimperlich gewesen. Vor allem „strukturelle Gewalt“ sei der Regierung vorzuwerfen, die sich jahrzehntelang nicht um die angemessene Entwicklung des Nordens gekümmert habe. Auch militärisch habe sie keinen Schutz der Menschen vor den Rebellentruppen erreicht, und selbst die Verschleppung tausender von Kindern aus den offiziellen Flüchtlingslagern habe sie lange Zeit untätig hingenommen. Bis etwa 2005 sei Nord-Uganda durch das Versagen beider Seiten ins völlige Chaos gestürzt worden. Schließling hing das reine Überleben von mehr als 95% der einheimischen Acholi-Bevölkerung – etwa 900.000 Menschen – vom Welternährungsprogramm der UN ab. 

Überraschender Weise klagte Altbischof Ochola immer wieder die Regierung unter Staatspräsident Yoweri Kaguta Museweni an, der seit 1986 in der Hauptstadt Kampala residiert. Detailliert zeigte Ochola auf, wie die Regierung mehrfach die Friedensvermittlungen unabhängiger Kirchenführer boykottiert und durch einseitige Militärschläge einen greifbar geglaubten Erfolg unmöglich gemacht habe. Seit mehreren Jahren herrsche nun zwar ein brüchiger Friede. Militärische Erfolge und der sog. „Juba-Friedensprozess“ hätten offenbar dazu beigetragen, die Rebellentruppen aus Uganda zu vertreiben. Die LRA treibe im Dschungel der Nachbarländer aber nach wie vor ihr Unwesen und bliebe – so der Altbischof – auch für die Menschen in Nord-Uganda eine bleibende Gefahr. 

Bischof Ochola plädierte eindringlich für einen Friedensprozess, der beide Seiten trotz ihrer offensichtlichen Verfehlungen ernstnehme und die Absichten und Befürchtungen der jeweils anderen Seite würdige. An diesem Friedensprozess hat Ochola selbst seit vielen Jahren teilgenommen und immer wieder Vertreter beider Seiten auf ihre Verantwortung behaftet. Diese durch und durch von christlichen Grundgedanken geprägte Position wirkte auf die Zuhörerschaft faszinierend – vor allem deshalb, weil der 74-jährige Ochola in den Wirren des Krieges seine Tochter und seine Ehefrau verloren hat. Die 19-jährige sei durch ihre Verwaltigung durch LRA-Truppen in den Selbstmord getrieben worden. Zehn Jahre später wurde seine Frau durch eine Landmine zerrissen, die vermutlich ebenfalls der Rebellenarmee zuzuschreiben sei. Umso beeindruckender, dass weder Rache noch Hass, sondern Versöhnung und Feindesliebe das Denken und Wirken des engagierten Friedenskämpfers bestimmen. 

Am Ende seines Vortrags betonte Ochola, dass sich seine Hoffnung für einen tragfähigen und dauerhaften Frieden allein auf die engagierte Arbeit der christlichen Kirche und ein glaubwürdiges Leben im Geiste des Evangeliums richte. Bischof Johnson Gakumba (Diözese von Nord-Uganda mit Sitz in Gulu), ebenfalls Mitglied der Delegation, die zum Aufbau einer Partnerschaft mit dem Kirchenkreis Norden zur Zeit in der Küstenstadt weilt, unterstrich diese Position als einzig realistische Möglichkeit. 

Superintendent Dr. Helmut Kirschstein, der den Abend mit Bildern von der Uganda-Reise einer Norder Delegation im Herbst 2009 eröffnet hatte, zeigte sich tief berührt vom Auftreten des ehemaligen Bischofs von Kitgum. In Uganda habe er gehört, dass viele Menschen Macleord Baker Ochola für einen würdigeren Friedensnobelpreisträger hielten, als den amerikanischen Präsidenten.